22. August 2012
«Von Banden und Banken»

Ulrich Thielemann
Kategorie: Steuergerechtigkeit

Radiodiskussion zum Steuerabkommen

 

Hier der Link zur Diskussion auf SWR 2 zwischen Beat Kappeler, Max Otte und mir zum Steuerabkommen Deutschland-Schweiz, dessen Zustandekommen ja höchst fraglich ist.

Leider war es kaum möglich, all die marktextremistischen Behauptungen und Suggestionen, die der marktlibertäre Journalist, Beat Kappeler, im Sekundentakt von sich gab, zurückzuweisen. Gleich zu Beginn gab er suggestiv zu verstehen, dass der eigentliche «Dieb» der deutsche Rechtsstaat sei, da «sogar» das deutschen Bundesverfassungsgericht «die Politiker Deutschlands zurückrufen musste, da man über 50% besteuern» wollte, was als «Konfiskation» zu beurteilen sei und gegen «elementarste Grundrechte» verstoße, geradezu menschenrechtsverletzend sei.

Damit ist der sog. «Halbteilungsgrundsatz» aus dem Jahre 1995 angesprochen (2 BvL 37/91), der besagt, dass die Steuergesamtbelastung «in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt», also nicht höher sein dürfe. (Auf die höchstrichterliche Autorität dieses Grundsatzes beruft sich auch gerne Paul Kirchof, ohne allerdings zu erwähnen, dass er selbst als damaliger Verfassungsrichter daran mitgewirkt hat.) Einerlei also, ob man als Normalbürger vielleicht €30'000 Euro im Jahr verdient oder ob man zu den Vermögensrentiers gehört und ein paar Millionen extra jährlich auf seinem Konto verbuchen darf, die Hälfte davon müsse jedem Steuerpflichtigen verbleiben. 

Nur, der «Halbteilungsgrundsatz» wurde vom Bundesverfassungsgericht mehrfach wieder verworfen: «Aus dem Eigentumsgrundrecht lässt sich keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung („Halbteilungsgrundsatz“) ableiten.» Auch der Bundesfinanzhof «vermag dem GG kein Gebot zu entnehmen, die Steuern auf das Einkommen und den Gewerbeertrag auf höchstens 50% des Gesamtbetrags der Einkünfte oder des zu versteuernden Einkommens zu begrenzen.»

Nicht nur diese Behauptung und viele andere antietatistischen Suggestionen durfte Kappeler unwidersprochen von sich geben, er durfte auch länglich davon berichten (ab Min 16), wie anders doch der Schweizer Fiskus seine Bürger behandelt. Dies ist vielleicht ein interessantes Thema. Nur wurde damit der Tatbestand vollständig negiert, um den es hier geht, nämlich um die Abwanderung bloß ad pecuniam statt ad personam. Auch der Moderator verstand offenbar nicht, dass es den gesamten Disput gar nicht gäbe, wenn es nur darum ginge, dass einige Deutsche in die Schweiz auswanderten, um dort von vielleicht tieferen Steuern zu profitieren, womit sie, jedenfalls solange sie nicht privilegiert würden (wie etwa durch die sog. Pauschalbesteuerung, die nur für Rentiers gilt), das Wohnsitzprinzip gar nicht verletzten. Dieses Prinzip bildet den elementarsten Grundsatz für das Besteuerungsrecht eines Staates. Es zu missachten läuft auf Diebstahl an ausländischem Steuersubstrat hinaus.

Max Otte ist sicher zuzustimmen, dass es vor allem darum gehen müsse, die «Superreichen, die Finanzoligarchie» angemessen zu besteuern (Min 12:50) – um deren Blasenvermögen, welches zu bedienen die Nichtrentiers überfordert (das ist die Krise), zu guten Teilen abzuschmelzen, wie ich ergänzen möchte. Doch warum dies gegen das Scheitern des vorliegenden Steuerabkommens ausspielen? Mehr noch: M.E. liegt der wichtigste Grund dafür, es scheitern zu lassen, darin, dass mit dem Scheitern eine andere (moralische) Verbindlichkeit geschaffen würde, nämlich weg von einem parallel laufenden, in einem verbundenen Netz von Steueroasen etablierten Abgeltungsregime (welches Kapitaleinkommen privilegiert und vor allem die Besteuerung des Schwarzgeldes selbst, statt nur der Zinsen auf diesem, vereitelt) hin zu einem Regime des (natürlich automatischen) fiskalischen Informationsaustausches. Hin zur demokratisch bestimmten Steuersouveränität, die allein so zu erreichen ist. Vgl. zu dieser, von mir und von Peter Ulrich schon lange vertretenen Sicht auch dieses Papier von Itai Grindberg.