14. Mai 2012
Sachzwangdenken

Ulrich Thielemann
Kategorie: Ökonomismus, Regulierung

Hier hatte ich in einer Antwort auf Rüdiger Bachmann knapp auf die Normativität der positivistischen Auslegung des ökonomischen bzw. ökonomistischen Kernparadigmas des vorherrschenden Ökonomik hingewiesen. Es handelt sich dabei um den impliziten Ökonomismus der Anerkennung der Markt(-macht-)verhältnisse. Alternativ lässt sich von «Sachzwangdenken» sprechen, vom «Unmöglichkeitstheorem» oder vom «ökonomischen Determinismus».

Ein treffendes Beispiel dieses Denkens findet sich bei «Wirtschaftsphilosoph»: «Am Ende denken wir aber wohl alle noch zu voluntaristisch und normativ.» Aha, man kann also «zu normativ» denken, obwohl das «zu» doch bereits unmittelbar normativ ist? Was ist also gemeint? (Wie wir sehen werden, es ist Apologetik gemeint, und die ist selbstverständlich normativ.) Lesen wir weiter.

«Ist es nicht völlig egal, was Sie wollen, was Karsten träumt oder ich mir wünsche? Es gibt sehr starke ökonomische und auch politische Kräfte, die ganz unabhängig davon wirken und den Euro zerfetzen werden.» Keine Ahnung, ob dies «egal» ist, gemeint ist offenbar: «Wir», die wir hier «denken», sind gegenüber diesen «Kräften» machtlos. (Wie sollen es offenbar sein.) Eine erstaunliche Aussagen von einem sich als «liberal» verstehenden Autor. «Wenn überhaupt, kann man diesen Prozess etwas abfedern und gestalten oder hinauszögern und verschlimmern.» Man «kann» – und muss – sich diesen «Kräften» also anpassen. Aber diese «Kräfte», obwohl sie doch nicht natürlichen Ursprungs sind, also einem «Ihr» korrespondieren, «kann» man nicht ursächlich angehen, etwa vermindern. 

Dieses Denken ist der tiefere Grund dafür, dass wir eine «marktkonforme Demokratie» haben. Sie beruht methodologisch auf dem «methodologischen Individualismus», also darauf, dass die hinter den naturalisierten «Kräften» stehenden Akteure nicht adressiert werden, und politisch im Verzicht auf die Perspektive einer Weltinnenpolitik.