Ökologische Grenzen des Wachstums
Ulrich Thielemann
Kategorie: Nachhaltigkeit
Hinweis auf den aktuellen Ethikbericht der Alternativen Bank Schweiz
Wachstum ist an sich doch eine wunderbare Sache. Unser Konsumgüterwohlstand, der Komfort, den wir genießen – die einen mehr, die anderen weniger (immer die Verteilungsfrage im Auge behalten!) – verdankt sich dem Wachstum des BIP bzw. wird durch diesen abgebildet. Allerdings war der Prozess der Wachstumserzeugung noch nie schmerzfrei. Das liegt daran, dass es im instanzlosen Wettbewerb erzeugt wird: Die Wettbewerbsfähigen verdrängen, über weitgehend «unsichtbare», unpersönliche Kanäle, die weniger Wettbewerbsfähigen und nötigen diese, im Verein mit abwandernden Käufern, zur Mehrproduktion. Und somit stellt die Frage, ob sich das Ganze noch lohnt. Und ob die, die nach Mehr gieren, den Rest zur Ökonomisierung ihres Lebens zwingen dürfen.
Vor allem aber ist das Wachstum in ökologischer Hinsicht in die Kritik geraten. Mit dieser Kritik hat sich auch die Alternative Bank Schweiz beschäftigt. Denn die Bank wächst sei viele Jahren ziemlich kräftig (im letzten Jahr ausnahmsweise etwas weniger). Der Ethikbericht, den ich seit einigen Jahren verantworte(vgl. hier; Kurzfassung hier, S. 45), hatte daher die Wachstumsfrage zum Thema. Die Kernfrage lautete: Darf die Bank angesichts der möglichen ökologischen (und ggf. sozialen) Grenzen des Wachstums weiter wachsen?
Was die ökologischen Grenzen des Wachstums anbelangt, so habe ich von der Rebound-Kritiker viel gelernt. (Die Rebound-Effekte, die zur Überkompensation der Bemühungen zur Ressourcenverbrauchsreduktion führen, haben ihre Quelle im Wettbewerb als dem eigentlichen Wachstumsmotor.) Ebenso von Tim Jackson: Eine Wachstumsrücknahme ist ökologisch «alternativlos» und ein «grünes» Wachstum illusionär, schon weil es «unvorstellbar» (Jackson) ist, dass die Kohlenstoffintensität pro Wertschöpfungseinheit um einem Faktor abnimmt, der nötig wäre, um das Klima innerhalb des 2-Grad Ziels zu belassen. Mehr dazu in Abschnitt 2 des Ethikberichts.
Die Schlussfolgerungen sind dramatisch. Denn wenn das Wachstum das Ergebnis der Bemühungen der Wettbewerbsverlierer ist, ihre Verluste wieder auszugleichen – oder diese vorausschauend gar nicht erst entstehen zu lassen –, so würde ihnen, sollte man das Wachstum danach irgendwie abstellen, das Ventil genommen, die Kräfte der Natur zu «okkupieren» (Simmel), um ihre Einkommensverluste wett zu machen. Man müsste, wenn soziale Katastrophen vermieden werden sollen, also vorher ansetzen, nämlich dort, wo das Wachstum entsteht bzw. erzwungen wird: beim Wettbewerb. Wettbewerbliche Waffenstillstandsabkommen wären auch ökologisch das Gebot der Stunde. Immerhin gibt es hier, ganz losgelöst von ökologischen Fragen, hierzu eine zarte und erstaunlich unaufgeregte wirtschaftspolitische Diskussion.