27. Januar 2013
Managervergütungen

Ulrich Thielemann
Kategorie: Compliance, Unternehmensethik, Regulierung

Die Schweizer «Abzockerinitiative» von Thomas Minder

 

Der Tagesanzeiger, offenbar immer auf der Suche nach Möglichkeiten der Skandalisierung und Personalisierung, hat mich anlässlich der Pressekonferenz der Public Eye Awards 2013 interviewt (Video und Text hier) und mich dabei zum «Stargast» erkoren. Was ich nicht war. William K. Black war der «Stargast», was durch seine brillante Rede zusätzlich unterstrichen wurde.

Wie dem auch sei. Wenn also der Tagesanzeiger mich nur interviewt, weil ich zum Skandalisieren tauge, so bietet dies immerhin die Möglichkeit, einige Dinge zu sagen. Und der Tagesanzeiger wollte wissen, wie ich zur von Thomas Minder lancierten «Abzockerinitiative» stehe. (Vermutlich, um mich ad personam gegen Minder in Stellung zu bringen.)

Tatsächlich hatte mich Thomas Minder vielleicht ein Jahr vor der Lancierung seiner Initiative in St. Gallen aufgesucht. Er wollte wissen, wie man die Boni der Manager senken kann. Ihn interessierte nicht so sehr, was denn genau daran das Problem sein könnte. (Das Problem ist nämlich einerseits die mangelnde Fairness bzw. Leistungsgerechtigkeit, die ethische Fehlsteuerung [ethical Compliance] durch «Anreize» andererseits.) Dies meinte er schon zu wissen. Es ging mehr ums Wie statt ums Was und Warum. Mein Vorschlag wäre gewesen, es zunächst damit zu versuchen, die Anteile, die die Investoren dem Management in Form variabler Vergütungen ausbezahlen, wie weit sie diese also zum Gewinnmaximieren «anreizen» statt bloß für ihren Einsatz für das Unternehmen vergüten dürfen, auf vielleicht 20% zu beschränken.

Hätte Minder damals schon gewollt, dass die Aktionäre unmittelbarer als heute über die Vergütungen des Vorstands bestimmen sollen, so hätte ich ihm geantwortet: Sie müssen sich entscheiden, entweder sie wollen tiefere Boni oder noch mehr Durchgriffsrechte für Aktionäre auf das Unternehmen, seine Akteure und seine Betroffenen nach ihrem Gusto.

Minder sagt es ja selbst: «Die Eigentümer sollen entscheiden, wo sie den Riegel vorschieben wollen.» Und zwar sollen sie dies nach einem «schlechten Geschäftsjahr» tun. Die Maßgabe soll also die Rentabilität sein. Er macht sich gar nicht klar, dass die Definition dessen, was dann als «Missbrauch» zu klassieren ist (er benutzt den Begriff), die Rentabilität ist – übrigens auch für Hit-and-Run-Aktionäre und deren "langfristige" Erfolgsbilanz.

Die Kritik an der Minder-Initiative wurde ja schon glasklar formuliert – etwa von der WOZ oder von Rudolf Strahm. – Wer als Schweizer Bürger ein Signal gegen exzessive Managervergütungen setzen möchte, hat somit nun ein Problem. Es ist aber auf jeden Fall besser, so meine ich, die Initiative zu verwerfen.

Dass variable Vergütungen im Interesse der Investoren (so sie allein Renditeinteressen haben) bzw. des Kapitals liegen, darauf verweisen nicht nur nüchterne Überlegungen (etwa auch die, dass es kein Zufall ist, dass die Managervergütungen und die Kapitalquote am BIP in den letzten Jahrzehnten im Gleichschritt gestiegen sind), sondern auch Indizien wie der Hinweis des zwischenzeitlichen UBS VR-Präsident (und ex-Bundesrat) Kaspar Villiger. Dieser musste «bei Investorenbefragungen» feststellen, «dass unsere Aktionäre nicht die Sorge haben, dass wir unseren Mitarbeitern zu viel zahlen könnten, sondern im Gegenteil, dass wir sie zu schlecht bezahlen.» (NZZ am Sonntag, 23.8.09, S. 33)

Minder Möchte mit seiner Initiative «die Demokratie [auf-]leben lassen». Das meinte ich im Interview mit «Folklore». Auf der Generalversammlung gilt ja nicht, wie offenbar Minder voraussetzt, der Grundsatz one man – one vote, sondern one dollar – one vote. «Die GV ist keine Landsgemeinde.» Soll sie eine werden? Dann aber sicher nicht nur für Aktionäre. Vielleicht lohnt es sich (natürlich nicht finanziell, sondern ethisch), die Diskussion um eine geänderte, nämlich diskursiv «offene» Unternehmensverfassung (Peter Ulrich) wieder aufleben zu lassen. Vgl. ausführlich hier, Kapitel 7; jüngst (und knapp) hier, S. 9.

Nachtrag: Hier noch ein Interview zum Thema auf Radio 3fach vom 28. Januar 2013. Und hier ein Interview in der Tageswoche vom 20. Februar 2013.