02. Juli 2012
Heterodoxe Ökonomik und Wissenschaftsfreiheit

Ulrich Thielemann
Kategorie: Orientierungen

Wie kann die Ökonomik pluralistischer werden?

 

Das Memorandum «Für eine Erneuerung der Ökonomie» hat eine breite und sehr erfreuliche Unterstützung erfahren. Zusammen mit den ErstunterzeichnerInnen haben mehr als 900 Personen, davon mehr als 200 Wissenschaftler im Rang eines Professors, ihre Zustimmung signalisiert. Sie alle finden also, dass die gegenwärtigen Zustände innerhalb der Wirtschaftswissenschaften (Vwl und Bwl) als akademisch unhaltbar zu bezeichnen sind.

Was folgt daraus praktisch? Wie kann echte pluralistische Vielfalt in die Wirtschaftswissenschaften Einzug halten, ohne die Wissenschaftsfreiheit zu beeinträchtigen, sondern diese im Gegenteil zu stärken. Dazu hat das MeM ein Forschungsprojekt skizziert, welches hier nachzulesen ist (und welches seine Finanzierung noch finden muss...).

Das Problem lässt sich ja wie folgt umreißen: Gegenwärtig verhält es sich so, als würde die regierende Partei ihre Nachfolger selbst bestimmen – durch «kooptative Berufungsverfahren» nämlich. Wie kann dieser kartellistische Zirkel durchbrochen werden, ohne dass die Wirtschaftswissenschaften von erkenntnisfremden Interessen bestimmt würden? Sie sollen ja im Gegenteil und möglichst rein von Erkenntnisinteressen, von der Suche nach «Wahrheit» bzw. allgemeiner: nach Gültigkeit bestimmt werden. (Streng genommen geht es in den Sozialwissenschaften, zu denen die Wirtschaftswissenschaften selbstverständlich zu zählen sind, m.E. letztlich nicht um die «Wahrheit» von Aussagen darüber, was der Fall ist (es sind nämlich stets Machtverhältnisse «der Fall»), sonderm um die «Richtigkeit» der Aussagen über den jeweiligen Forschungsgestand. Dieses ethisch-normative Verständnis von Sozialwissenschaft ist bzw. wäre natürlich selbst wiederum innerhalb des Wissenschaftssystems zu diskutieren.)