22. Juli 2016
Geld aus dem Nichts – ja oder nein?

Ulrich Thielemann
Kategorie: Kapital

Warum ist dies eine wirtschaftsethisch relevante Frage?

 

Ich möchte etwas zu der Motivation sagen, die mich dazu geführt hat, mich geraume Zeit (wegen der Komplexität viel zu lange) mit der Frage zu beschäftigen, ob Banken Geld aus dem Nichts erschaffen können. Hier der Text:

Es ist schwierig, an Geld heranzukommen. Und es ist für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wichtig. Wer an Wettbewerbsfähigkeit verliert, weil andere an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, verdient weniger als zuvor. Oder gar nichts mehr. Man ist dann auf Transferzahlungen angewiesen, die heute tiefer ausfallen als früher. Und wenn man dann eine neue Stelle findet, ist diese heute im Durchschnitt schlechter vergütet als die Vorangegangene. Der Kampf ums Einkommen ist härter geworden und nimmt weiter an Härte zu, wenn auch auf im Ganzen weiter steigendem Niveau des Konsumgüterwohlstands. Dieser Kampf bestimmt unser aller Leben in wachsendem Maße bis in unsere Identität hinein. Eine Entspannung ist nicht ersichtlich. Und warum das alles: Weil wir an Geld herankommen wollen und müssen (wobei sich über Letzteres streiten lässt).

Für andere ist es vergleichsweise leicht an Geld heranzukommen. Das liegt allerdings häufig daran, dass man zuvor Anstrengungen unternommen hat, um die Fähigkeit zu erlangen und zu erhalten, mindestens auskömmliche, sicherheitshalber aber möglichst hohe Einkommen zu erzielen. Was der ökonomische Jargon Humankapitalinvestitionen nennt, die möglichst früh einzusetzen hätten. (Und andere zu nämlichen Anstrengungen zwingt.) Auch mag es daran liegen, dass man, sei es durch Cleverness, Erbschaften oder Zufall, in die Lage versetzt wurde, Renteneinkommen zu erzielen, die einem definitionsgemäß leistungsfrei zufallen. Und wer, aus welchen Gründen auch immer, über ein ansehnliches Geldvermögen verfügt, der kann, in Zeiten der neoliberalen «Hofierung» des Kapitals, nur schwer etwas falsch machen, um zu verhindern, noch reicher zu werden. Man schaue etwa auf die Forbes-Liste. Oder man lese bei Piketty nach.

Die Arten und Weisen der Einkommenserzielung, des Geldverdienens, mögen aus verschiedenen Gründen und in verschiedenen Dimensionen ethisch fragwürdig sein. Doch ist da niemand, der Geld, also Zugriffschancen auf Wohlstand oder Reichtum, «aus dem Nichts» erhält.

Natürlich muss das Geld, bevor es zirkuliert und bei jedem Umschlag Einkommen schafft (bzw. diese Einkommenserzielung dokumentiert und repräsentiert), zuvor irgendwann einmal geschaffen worden sein. Und zwar leistungsfrei, als Fiat-Geld, sonst wäre es keine Erschaffung, sondern seinerseits Einkommenserzielung. Die Instanz, die das kann, ist die Zentralbank. Doch danach beruht die Geldzirkulation auf den je unterschiedlichen Fähigkeiten zur Einkommenserzielung, auf dem «Marktkampf» (Max Weber) im «Wettbewerb der Nationen" (und ihrer Beschäftigter). Natürlich werden Einkommen nicht nur im realwirtschaftlichen Wettbewerb, sondern etwa auch aus «Spekulation» (wenn die Vermögenszuwächse realisiert werden), «räuberischer Kreditvergabe» (Michael Hudson), auch mit Bail-Outs (auch solche, die durch Quantitative Easing, also durch von der Zentralbank «gedrucktes» Neugeld entstehen) erzielt. Doch auch hier erfolgt die Einkommenserzielung, der Geldzufluss, niemals «aus dem Nichts». (Abgesehen vom letzten Punkt. Allerdings ist die Zentralbank kein Marktteilnehmer.)