09. April 2013
Fonds-Manager: Denn sie wissen nicht, was sie tun.

Ulrich Thielemann
Kategorie: Kapital

Erstaunliches von einem Hedgefonds-Manager

 

Kürzlich war ich auf dem – übrigens sehr interessanten und sehr substantiellen – IMK Konjunkturforum zum Thema «Finanzmärkte Revisited». Einer der Redner war Christian Kopf, Director of Economic Research and Investment Strategy von Spinnaker Capital, einem Hedgefonds. Nach seinem Vortrag ging er auf den häufig geäußerten Vorwurf ein, die Hedgefonds würden doch gar nicht in die Realwirtschaft investieren [und damit dieser nicht «dienen» – warum diesen Ansinnen Blödsinn ist, dazu empfehle ich diesen Grundlagentext]. Seine Antwort darauf (vgl. hier, ab Minute 34) war, dass Hedgefonds, wie überhaupt alle Fonds, «in handelbare Finanzprodukte investieren und nicht in die Realwirtschaft. Die Realwirtschaft investiert in die Realwirtschaft.» [Nein, auch Banken investieren in die Realwirtschaft, zumindest dann, wenn sie Kredite vergeben. Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Kapitaleinkommen zu erzielen: Man bekommt das Geld letztlich von den Käufern der abgesetzten Produkte, oder man bekommt es von Käufern eines Finanztitels, wobei letzteres nur dann einen Gewinn darstellt, wenn man das Papier vorher billiger eingekauft hat und das Papier durch Wertpapierhandel im Wert zwischenzeitlich gestiegen ist, worauf man beim Kauf "spekuliert".]

Diese «Abkopplung», so Kopf weiter, sei ein «materialer [integraler] Bestandteil des Finanzmarktes» – genauer: der Spekulation, wenn man den Begriff für die zweite Form, ein Kapitaleinkommen zu erzielen, reserviert und unter «Finanzmarkt» den Handel mit Wertpapieren versteht. (Der Witz ist ja: Im Handel blähen sich die Nominalwerte der Wertpapiere in der Regel auf, was zu gigantisch angewachsenen Kapitalbeständen geführt hat. Vgl. etwa hier, vgl. auch Adelshauser hier: «Seit den 70er-Jahren hat sich der gesamtwirtschaftliche Verschuldungsgrad in den USA und Deutschland verdreifacht. Auf allen Ebenen, den privaten Haushalten, den Unternehmen und beim Staat, nahm damit die Abhängigkeit von einem regel- und zügellosen Kapitalmarkt dramatisch zu.») Dass es sich um die zweite Form der Erzielung von Kapitaleinkommen handelt, mit der die Hedgefonds ihr Geschäft machen, deutet Kopf (übrigens ein bedächtiger Geist, kein «neoliberaler» Hardliner) an, indem er auf die «sehr starken selbstreferentiellem Handelsbewegungen» verweist, «wo Währungen hin und her gehandelt werden» – und gleichwohl irgendwie (fast alle) Geld verdienen, obwohl es doch ein Nullsummenspiel ist oder jedenfalls sein müsste.

Nach seinem Vortrag ging ich zu Kopf und fragte ihn: «Wenn es sich so verhält, wie sie sagen, und Sie nicht von real wirtschaftenden Akteuren bezahlt werden, wer bezahlt Sie und ihre Kunden, für die Sie Finanzprodukte kaufen und verkaufen, eigentlich letztlich, etwa im Währungsgeschäft, das Sie ja vermutlich auch betreiben?» Neben ihm stand ein weiterer Fondsmanager. An Ihn gewandt sagte Kopf: «Diese Frage habe ich mir auch schon mal gestellt. Wer bezahlt uns eigentlich im Währungshandel? Woher stammt das alles?» [Natürlich zitiere ich aus der Erinnerung und kann für die genauen Formulierungen die Hand nicht ins Feuer legen.]

Das ist eine unglaubliche Stellungnahme. Der Fondsmanager, der volkswirtschaftlich, jedenfalls finanzmarkttechnisch, gut aufgestellt ist, weiß nicht, woher die Unsummen stammen, die seinem Unternehmen und natürlich vor allem seiner Kundschaft letztlich zufließen. (Man bedenke: Im Jahre 2011 haben die 40 erfolgreichsten Hedgefonds-Manager 330 Millionen Dollar an Gebühren eingestrichen – nicht insgesamt, sondern pro Kopf!) Er weiß es nicht, die Volkswirte wissen es nicht (denn, wie mir Helge Peukert einmal sagte, die Volkswirte fragen nicht danach, woher die Kapitaleinkommen stammen und wer die Gewinne bezahlt), und ich weiß es auch nicht. Ich vermute jedoch folgendes:

Es handelt sich um ein trickreiches und hochkomplexes Spiel der Erhöhung der Nominalwerte von Vermögensbeständen, von dem alle beteiligten Finanzmarktakteure, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, profitieren. Und zwar geschieht dies systematisch über den Handel mit Wertpapieren. Das Unglaubliche daran ist, dass diese Vermögensbestände als Geld zählen, und nicht etwa als Monopolygeld. Problematisch ist dies systematisch betrachtet aus zwei Gründen: Dies ist erstens offenkundig krass leistungsungerecht. Die Leute erhalten mit der erfolgreichen Bewältigung dieses Spiels ja tatsächlich Berechtigungsscheine, genannt Geld, um auf tatsächlich erarbeiteten Wohlstand zuzugreifen. (Hier ein Schlaglicht auf den Statuswettbewerb im Felde von Yachten.) Die Plutonomy lässt grüßen. Und natürlich können sie – und müssen sie, denn dies ist ja alles gar nicht mehr konsumierbar – den Großteil reinvestieren, um aus einer Milliarde via Wertpapierhandel zwei Milliarden zu machen.

Das zweite und wohl noch gravierendere Problem ist, dass diese an sich fiktiven Vermögensbestände irgendwo in den Bilanzen der Banken schlummern, diese in eine bilanzielle Schieflage bringen, worauf die Banken (letztlich: das Kapital, die Rentiers) die Nicht-Rentiers bzw. den Steuerzahler in Geiselhaft nehmen, da an den Banken der Zahlungsverkehr hängt, und wenn der zusammenbricht, mündet dies in einer volkswirtschaftlichen Katastrophe. Dies gelang ihnen in unvorstellbarem Ausmaß. (Nach Auskunft des Spiegel vom 30. März 2013 hat die EU-Kommission seit 2008 fünf Billionen Euro an Hilfen für den Finanzsektor genehmigt, was 40 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung entspricht. «Allein Deutschland stellte 646 Milliarden Euro für seine Kredithäuser bereit.») – Es ist gut, dass sich auch bei Finanzmarktspezialisten die Ansicht breit macht, dass es sich um eine Scheingeiselhaft handeln muss. Sonst könnte ja die die frisch gekürte Chefin der Bafin, Elke König, nicht meinen, dass «marode Banken» nun «nach marktwirtschaftlichen Regeln abzuwickeln» seien, also so, dass «wer die Gewinne erhält, auch das Risiko tragen muss», wo dies doch vorher als Weg in den «Abgrund» (Steinbrück, beraten vom volks- und finanzwirtschaftlichen Mainstream seiner Zeit) gegolten hatte. Und die Reihenfolge der Haftung, d.h. dafür, den Abbau der Vermögensbestände als einen persönlichen Verlust hinzunehmen («Haftungskaskade»), ist glasklar und im Prinzip richtig und gerecht: Es «haftet zunächst das Eigenkapital, also die Aktionäre. Dann kommt das Fremdkapital, also diejenigen, die in Anleihen der Bank investiert haben. Und dann ist normalerweise das Ende erreicht. Die Spareinlagen müssen geschützt werden – auch wenn man darüber diskutieren kann, ob das nur bis zu einer bestimmten Höhe gelten sollte.» Auch wenn der Ruf nach Bail-Ins statt nach immer weiteren Bail-Outs gewissermaßen auch von der «falschen» Seite, nämlich von der «neoliberalen» bzw. marktgläubigen Seite kommen mag (vgl. etwa Jens Weidmann hier) und von der Ablehnung jeder Form der Unterstützung gegen den «Urteilsspruch des Marktes» motiviert ist (vgl. den Abschnitt Profit & Loss hier), so soll uns dies hier nicht weiter bekümmern. (Der Unterschied liegt in der Begründung und damit auch in der Handhabung anderer Fälle – wie etwa gegenüber anderen, weniger wohlhabenden Verlierern im Wettbewerb.)

Wichtig hier und jetzt ist allerdings, das Rätsel der Kapitaleinkommen aus «Spekulation» weiter aufzuklären. Der Fondsmanager, an den Kopf seine eher rhetorisch gemeint Frage richtete, antwortete: «Wir alle zahlen das.» (Gemeint sind die Kapitaleinkommen der Fonds letztlich aus dem Wertpapierhandel.) Und dies hänge irgendwie mit der Geldschöpfung zusammen, die ja Joseph Huber und die Vollgeldreformer den Banken entreißen möchten. Gerne verstünde ich mehr. (Ich vermute, die Vermögensbestände dienen als Collateral, um billig an Zentralbankgeld zu kommen, und mit den Krediten werden dann weitere Wertpapiere gekauft.) Sachdienliche Hinweise nehme ich gerne Opens window for sending emailentgegen.