02. Februar 2012
Ethik-Regeln für Ökonomen?

Ulrich Thielemann
Kategorie: Orientierungen, Ökonomismus

Radiointerview


Im Beitrag «Ethik-Regeln für Ökonomen?» auf NDR Info vom 24. Januar 2012 (einige Hintergründe und weitergehende Überlegungen dazu hier von Sebastian Thieme) ist meine These leider etwas untergegangen.

Ich denke nämlich, dass Ökonomen das, was sie vertreten, kaum je, so sie denn Drittmittel erhalten, abhängig machen von ihren Geldgebern (was im Kern Korruption wäre), sondern dass sie hinter dem, was sie sagen, aus innerer Überzeugung stehen. Nur stimmt diese Position – wenn man so will: zufälligerweise – in der Regel überein mit gewissen mächtigen Interessen – nämlich grosso modo mit den Interessen des Kapitals. Dieses, das große Geld, kann sich ja dann auch locker ein paar Think Tanks leisten und hat dabei kaum je Schwierigkeiten, seinen Mitarbeiterstab aus «renommierten» Fachbereichen der Wirtschaftswissenschaften zu rekrutieren. 

Nicht umsonst, und ich zitiere dies immer wieder, da es treffend ist, hat Hans-Werner Sinn davon gesprochen, es gelte, «das Unternehmerkapital zu hofieren» – jedenfalls insoweit, wie man heute hinzufügen müsste, als dieses nicht in Spekulationsgeschäften «verschwendet» werde (vgl. ebd). Darin drückt sich nicht etwa eine Vorliebe für das Kapital, welches die Ökonomik ja zum «Prinzipalen» erhoben hat, oder für dessen «Agenten» aus (was dann soziologisch etwa mit dem Begriff einer «Klassengesellschaft» markiert werden könnte). Vielmehr repräsentiert das Kapital viel deutlicher als jeder andere Interessenträger (der zufälligerweise auch nicht über das entsprechende Kleingeld verfügt...) die sozusagen reine Marktlogik, als deren konsequenteste «Fürsprecher» sich «die Ökonomen» ja selbst verstehen.

q.e.d.

Darum bedarf es ja, wie Sebastian treffend festhält, der «strukturellen Veränderungen in der (Wirtschafts-)Wissenschaft» selbst – statt bloss eines «Ethik-Kodex», der an den Strukuren nichts ändert. Damit endlich zumindest Pluralität in den Wirtschaftswissenschaften Einzug hält und Marktgläubigkeit nicht mehr eine Einstellungsvoraussetzung dafür bildet, um im akademischen Betrieb mitreden zu können. – Wie der strukturelle «Wettbewerbs»-Nachteil gegenüber den Kapital-Hofierern dabei wettgemacht werden könnte, dies allerdings ist eine recht schwierige Frage. Vielleicht könnte dabei dann ein «Ethik-Kodex» helfen.

Mindestens pikant ist übrigens, das Thomas Straubhaar (im NDR-Info Beitrag) gar nicht mehr den Anschein erwecken möchte, seine Position sei irgendwie als wertfrei zu fassen. (Vielleicht, weil alles andere von vorn herein aussichtslos wäre?) «Wir» – gemeint sein könnten die Volkswirte oder das HWWI, dem er vorsteht und das unter anderem von zahlreichen Finanzinstituten finanziert wird –«sind, wie alle anderen, immer in einem gewissen Maße Partei und haben Interessen». Dies allerdings (man darf wohl sagen: die Kongruenz zwischen seinen ökonomistischen Forschungsinteressen und den Interessen seiner Geldgeber) sei gar kein Problem, denn «wir legen diese Interessen dar» bzw. offen. Dass es sich Straubhaar etwas gar einfach macht, habe ich hier zumindest indirekt gezeigt.

Andererseits übrigens verdient Straubhaar ein dickes Lob für die Forderung nach einer «Vielfalt von Lehrmeinungen», derer es bedürfe, damit sich «in der VWL auch wieder ein kritisches Denken entwickeln» kann. Von einer «Phalanx marktgläubiger Professoren» sprach Straubhaar dabei selbst allerdings nicht ausdrücklich, wie mir, nach meiner erstaunten Anfrage, eine der Autorinnen des Spiegel-Artikels verriet.