05. Dezember 2013
Erneute Zweifel am Kulturwandel der Deutschen Bank

Ulrich Thielemann
Kategorie: Compliance

Integrität verträgt sich nicht mit dem Gewinnprinzip

 

Dieser Tage macht der Liborskandal die Runde, in dessen Zusammenhang die Deutsche Bank eine Vergleichssumme von € 725 Mio. zahlen musste. Die Deutsche Bank meint, dies sei eine «Altlast», beträfe also ihr aktuelles Geschäftsgebahren nicht mehr. Denn für dieses gelte der «Kernwert» de «Integrität». Dabei verweist sie auf die 2012 installierte «Strategie 15+», die den besagten «Kulturwandel» begründen soll.

Irgendwie glaubt man der Deutschen Bank nicht. (Vgl. dazu bereits diesen Blogbeitrag.) Für diesen Zweifel gibt es systematische Gründe. Dazu sogleich. Zunächst einige anektodische Hinweise. 

Wolfgang Schäuble hatte die Bekanntmachung der Vergleichszahlungen zum Anlass einer Bankenschelte genommen: «Die Kreativität der Banken, die Regulierung zu umgehen, ist weiterhin groß.» Darauf hatte ihm Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen «Populismus» vorgeworfen. Doch warum fühlt sich Fitschen überhaupt angesprochen? Schließlich hatte Schäuble den Namen Deutsche Bank gar nicht genannt.

Aus Sicht der Deutschen Bank haben die Verhaltensweisen, die zu all diesen Rechtsstreitigkeiten führten und für die sie 4,1 Mrd. € zurückgelegt hat, kein System, sondern sind Ausdruck des Verhaltens sog. «rogue employees», also von «Schurkenmitarbeitern» bzw. in ihren Worten: von «einzelnen Mitarbeitern in der Vergangenheit, die schwere Verstöße gegen Werte und Überzeugungen der Deutschen Bank» begangen hätten. Dies ist ein beliebter Trick der Führungsspitze angeklagter Unternehmen: Das Abladen der Verantwortung auf einzelne Mitarbeiter. Vgl. Brennpunkt Bankenethik, S. 128 ff., Compliance und Integrity, S. 14 ff. Und so entliess die Deutsche Bank einige Mitarbeiter, die für die Ermittlung und die Übermittlung von Referenzzinssätzen zuständig waren. Diese hätten unzulässigerweise mit Derivathändlern kommuniziert, die von den Zinsmanipulationen offenbar profitiert haben (via Boni), ebenso wie die Deutsche Bank als Ganzer.

Offenbar sehen sich dies Mitarbeiter als Sündenböcke und sind der Meinung, dies alles hatte doch System, denn sie klagten gegen ihre Entlassung. Das Arbeitsgericht Frankfurt gab den entlassenen Mitarbeitern der Deutschen Bank Recht. Die Sache hatte zumindest insofern System, als, wie das Gericht feststellt, es zumindest in einem Fall eine «Personenidentität von Derivatehändlern und Ermittlern/Übermittlern» gab, weshalb es «für die klagenden Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass eine Hinnahme der Kommunikation durch die Deutsche Bank AG offensichtlich ausgeschlossen war», wie diese ja mit Verweis auf ihre «Werte und Überzeugungen» behauptet.

Nun zu den systematischen Gründen, und ich berufe mich allein auf das, was die Deutsche Bank über sich selbst sagt.

An einem «Kulturwandel» hin zu einer von «Integrität» getragenen Geschäftstätigkeit auf allen Stufen ist schon darum zu zweifeln, da die Bank all die Skandale um das Fehlverhalten des Unternehmens als eine Sache des «Risikomanagements» begreift. Wer von «Risiken» spricht, spricht von eigenen Interessen. («Risiken» sind Kosten, die in der Zukunft liegen, deren Höhe also ungewiss ist. Und natürlich sind Kosten so tief wie möglich zu halten.) Und wer die Kritik an der Verantwortungslosigkeit des eigenen Verhaltens als eine Sache von «Reputationsrisiken» begreift, die zu «managen» seien – im eigenen Interesse, versteht sich –, der sollte gleich sagen, dass er opportunistisch (S. 15 ff.) verfährt. 

Pikant ist auch, dass auch noch die Strategie, die den «Kulturwandel» herbeiführen soll, wie offenbar alles, was die Deutsch Bank anfasst, eigenem Bekunden nach den Sinn hat dafür zu sorgen, «in einem veränderten Marktumfeld zu den Gewinnern zählen». Man tut es also, man handelt (angeblich) «verantwortungsvoll», um der eigenen Vorteile willen und damit nach Maßgabe eigener Interessen. (Ich bin immer wieder erstaunt, wie schwer es den Akteuren fällt, sich selbst nicht zu entlarven, was offenbar damit zusammenhängt, dass sie in ihrem Denken tief im Ökonomismus und Instrumentalismus verwurzelt sind. Denn in ihrer Ausbildung bekommen sie ja nichts anderes mit auf den Weg gegeben als instrumentelle Vernunft [Wie sind die Gewinne zu maximieren?] + Ökonomismus als deren Rechtfertigung.)

Integrität um des Gewinns willen ist ein Widerspruch in sich. Integrität heißt, das eigene Handeln von dessen Verantwortbarkeit und Legitimität abhängig zu machen. Wer Integrität für sich reklamiert, muss den Gewinn daher entthronen und der Gewinnmaximierung abschwören. Vgl. dazu auch mein Interview rbb inforadio von heute Morgen sowie im Deutschlandfunk gestern Abend.