15. Februar 2013
«Eine Erbschaftssteuer vernichtet Arbeitsplätze»

Ulrich Thielemann
Kategorie: Steuergerechtigkeit

Stimmt das?

 

Das «Echo der Zeit» (Schweizer Radio) hat mich zur aktuellen eidgenössischen Volksinitiative für eine Erbschaftssteuerreform befragt. Hier einige Hintergrundinformationen dazu.

Zunächst ist die Initiativen im Zusammenhang des Abbaus der gigantisch angewachsenen Vermögensbestände zu sehen, die dringend abgebaut werden müssen, da diese die Beschäftigten überfordern. (Sie bildet den Kern der großen Finanzkrise, die in vielfältigen Erscheidungsformen auftritt.) Diese Notwendigkeit ist übrigens etwa auch von der Boston Consulting Group erkannt worden.

Nun wird gegenüber der Besteuerung von Erbschaften immer wieder eingewandt, damit würden Unternehmen in ihrem Bestand gefährdet, was zum Abbau von Arbeitsplätzen führe. – Was natürlich eine Steilvorlage für Rentiers ist: Je reicher diese sind, desto mehr kann ja investiert werden. Am besten also gar keine Kapitalbesteuerung (zu der eine Erbschaftssteuer zu rechnen wäre). Nach dem Motto der INSM: «Milliardäre sind Investoren und schaffen Arbeitsplätze. Geht ihnen das Geld aus [oder wird ihr Vermögen durch Besteuerung verringert], vergeht auch dem letzten Neider das Lachen.» (Quelle hier) Im Kern denken so alle Mainstream-Ökonomen.

Abgesehen davon, dass sie dabei den elementar-ökonomischen Zusammenhang zwischen der Schaffung und der Zerstörung von Arbeitsplätzen verkennen, denken Ökonomen hierbei allerdings weniger personal als vielmehr funktional. Was dies bedeutet, kann man in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates des BMF nachlesen: Nötigenfalls müsse eben das Unternehmen verkauft werden, damit der Erbe die Steuern zahlen kann. Dadurch würde «der Bestand des Unternehmens noch nicht in Frage gestellt». Die Ökonomen gehen nämlich davon aus: Wenn das Unternehmen sich im Wettbewerb behaupten kann, ist es ja zweitrangig, wer der Eigentümer ist. Der «Entzug» von Liquidität trifft also den Erben, was ja auch so «gewollt» ist und «die gestiegene [steuerliche] Leistungsfähigkeit des Erben» anzeigt; sie trifft nicht das Unternehmen. «Müsste der Eigner bzw. Erbe zur Bezahlung der Steuer Eigenkapital aus dem Unternehmen abziehen, kann über den Kapitalmarkt zusätzliches Fremdkapital oder neues Beteiligungskapital aufgenommen werden, ohne den Wert der Unternehmung zu verändern.»

Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass man im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage keinen einzigen Fall benennen konnte, «bei dem ein Betrieb aufgrund der Erbschaftsteuer aufgegeben, veräußert oder zahlungsunfähig wurde».

Was man der Bundesfinanzhof vielmehr herausgefunden hat, ist, dass die zahlreichen Formen der Begünstigung von Betriebsvermögen zum Missbrauch geführt haben, etwa in Form sog. «Cash-GmbHs», bei denen privates Barvermögen einfach einer frisch geschaffenen juristischen Person übertragen wird, gewissermaßen eine Briefkastenfirma, die gar nichts produziert, also gar keinen Betrieb unterhält, und die Gewinne gleichwohl steuerfrei bleiben, obwohl man über diese voll privat verfügt. Alles in allem führe die gegenwärtige Rechtslage, die ja darauf zugeschnitten ist, Arbeitsplätze zu sichern, zu einer «verfassungswidrigen Überprivilegierung».

Dass die Besteuerung von «Betriebsvermögen» (oder als solchem ausgegebenen Vermögen) keine Arbeitsplätze kostet bzw., wie der BFH festhält, in der Regel eine «Betriebsfortführung» nicht gefährde, mag auch damit zusammenhängen, dass das Kapital ohnehin nicht weiß, wohin investieren, und sich, jedenfalls aufs Ganze gesehen, im Anlagenotstand befindet.