01. April 2019
Die ökologischen Grenzen des Wachstums

Ulrich Thielemann, Tanja von Egan-Krieger
Kategorie: Nachhaltigkeit

Die Rebound-Kritik am Green Growth und die Notwendigkeit einer globalen Wettbewerbsbegrenzung

 

 

Der folgende Beitrag ist eine gemeinsam mit Tanja von Egan-Krieger überarbeitete und erweiterte Fassung eines Abschnitts des Revisionsberichts 2015 für die Alternative Bank Schweiz vom 27. Januar 2016.

Im Kern geht es im Folgenden (lediglich) darum aufzuzeigen, dass jeder Versuch, die sich anbahnende Klimakatastrophe doch noch abzuwenden, dem Umstand Rechnung tragen muss, dass das bestehende wettbewerbsbasierte und darum wachstumsgetriebene globale Gesamtsystem der Wohlstandsproduktion auf der Ausbeutung natürlicher Ressourcen im Allgemeinen und fossiler Brennstoffe im Besonderen energetisch und materiell basiert und darum auf diese existentiell angewiesen ist. Allein schon darum wird die dringend benötigte ökologische Kehrtwende weder mit realem Wachstum noch mit dem bestehenden globalen Wettbewerbsregime vereinbar sein. 

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Übersicht 

1. Die Entkopplungsidee

2. Entkopplungsillusionen unter den Bedingungen des Wettbewerbs: Die Nachfrageseite

3. Entkopplungsillusionen unter den Bedingungen des Wettbewerbs: Die Angebotsseite  

Exkurs: Der allgemeine Wohlstand basiert auf industrieller Produktion, nicht auf Dienstleistungen         

4. Die gesamtwirtschaftliche Abhängigkeit von Ressourcen im Allgemeinen und von fossilen Energieträgern im Besonderen – das Beispiel der Schweiz           

5.  Die Illusion einer absoluten Entkopplung unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbsregimes

1. Die Entkopplungsidee

Die Idee eines qualitativen oder grünen Wachstums beruht auf der Entkopplung des Ressourcen- und Energieverbrauchs und ebenso der die Ökosysteme belastenden Abfälle und Emissionen von der Produktausbringung bzw. vom Verbrauch. Ein Zuwachs an Wirtschaftsleistung (BIP-Wachstum) wäre dann, so die Idee, ökologisch unschädlich. Dabei muss allerdings die relative Entkopplung des Naturverbrauchs pro Wertschöpfungseinheit, die «Ökoeffizienz» des Wachstums also, so hoch sein, dass sie das BIP-Wachstum überkompensiert, so dass eine absolute Entkopplung stattfindet (Paech 2014, S. 71 ff.; Jackson 2011, S. 81 ff.). Trotz erheblicher, aber selbst hier nur teilweiser Fortschritte bei der Ökoeffizienz, etwa bei der Energieeffizienz und der Emissionsintensität pro monetär gemessener Wertschöpfungseinheit, steigen der Naturverbrauch und die Umweltbelastungen jedoch absolut weiterhin an. Der CO2-Verbrauch beispielsweise steigt absolut nach wie vor, wenn auch leicht langsamer als das Welt-BIP (Jackson 2011, S. 85).

Die Klimaschutzziele des Kyoto-Protokolls wurden, jedenfalls mit Blick auf die Welt als Ganzes, krachend verfehlt. Anvisiert war eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 5,2 Prozent gegenüber 1990 bis zum Jahre 2012. Tatsächlich haben die Emissionen im Jahre 2014 gegenüber 1990 um 30 Prozent zugenommen (Dehmer 2015).

2. Entkopplungsillusionen unter den Bedingungen des Wettbewerbs: Die Nachfrageseite

Dies ist kein Zufall, sondern ist auf systematische, in der Logik wettbewerblicher (und darum auf Wachstum drängender) Märkte liegende Ursachen zurückzuführen (Thielemann 2010, S. 357 ff.). Es handelt sich um so genannte «Rebound-Effekte» der Steigerung der Ökoeffizienz.

«Rebound» heißt Rückprall oder Rückstoß; der Rebound-Effekt wird gelegentlich auch «Bumerangeffekt» genannt. Vgl. zur Kritik an der Entkopplungsthese Paech 2014, S. 71 ff., Jackson 2011, S. 81 ff., Poppe 2013.

Diese führen dazu, dass «das Eingesparte nicht bewahrt», sondern für die Mehrproduktion eingesetzt wird (Linz 2016, S. 4). Da die Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz nämlich mit einer Senkung des relativen Ressourceneinsatzes verbunden ist, Ressourcen aber Geld kosten, sinken auch die relativen Kosten dieses Einsatzes. Man spart also Geld. Und was macht man damit? Man kauft mehr. Man kauft sich etwa ein größeres Auto oder fährt weitere Strecken und gibt trotzdem insgesamt nicht mehr für Treibstoff aus. Der Mehrverbrauch oder jedenfalls die gesamthafte Nichtsenkung des Verbrauchs kann sich auch darin äußern, dass andere nun mehr verbrauchen. So machte der Wechsel von der Kohlefadenlampe zur Wolframwendel-Glühlampe, die bei gleicher Lichtausbeute nur 25 Prozent an Energie verbraucht, elektrisches Licht Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt erst für breite Bevölkerungskreise erschwinglich (sog. Jevons Paradoxon). Niko Paech (2014, S. 87) hebt hervor, dass «grüne» Energien in der Regel bloß eine «Addition» zu den vormals bestehenden und häufig eben weiterhin genutzten nichtnachhaltigen Energiegewinnungsprozessen bilden.

Die Hartnäckigkeit des Rebound-Effekts ergibt sich daraus, dass gerade durch die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs am einen Ort die eingesparten und damit in der Regel günstiger verfügbaren Ressourcen woanders nur umso mehr genutzt werden können und vermutlich genutzt werden. Wenn beispielsweise der Absatz von Elektroautos der Marke Tesla steigt, vorausgesetzt, der Strom kommt weitgehend aus regenerativen Quellen, also insgesamt durch die Nutzung dieser Fahrzeuge weniger fossile Brennstoffe verbraucht werden, dann würden die dadurch freiwerdenden fossilen Brennstoffe billiger und damit an anderer Stelle höchstwahrscheinlich vermehrt genutzt. Oder: Wenn Deutschland durch die Energiewende weniger fossile Brennstoffe verbraucht, dann «ermöglicht» diese «Nachfrageminderung» «den Amerikanern, … noch größere SUVs zu fahren, als sie es ohnehin schon tun, und die Chinesen dürfen ihren CO2-intensiven Wachstumsprozess sogar noch beschleunigen» (Sinn 2008, S. 11; vgl. auch Poppe 2013, S. 30). Man muss hierbei nicht nur an die Endverbraucher denken, die nun mehr verbrauchen können, sondern auch an Unternehmen, die durch die Senkung der Produktionskosten auch mehr produzieren können, ohne dass die Preise steigen müssen. Die bislang durch die relative Entkopplung des Energieverbrauchs von der Ausbringungsmenge erzielte «Kostenersparnis wurde genutzt, um die Warenproduktion auszudehnen, sodass der gesamte Energieverbrauch zunahm». (Herrmann 2014, S. 243, Hvh. d. V.) Schlimmstenfalls mündet die relative Entkopplung in eine absolute Zunahme des Ressourcenverbrauchs (wie bei den oben genannten Leuchten) und damit auch der korrespondierenden Belastungen der Ökosysteme, was «Backfire» genannt wird (Enquete-Kommission 2013, S. 436, 658).

3. Entkopplungsillusionen unter den Bedingungen des Wettbewerbs: Die Angebotsseite

Die Rebound-Kritik am grünen Wachstum setzt zumeist an der Nachfrage an, der Nachfrage der Verbraucher ebenso wie der Unternehmen. Möglicherweise liegt jedoch im Angebot, genauer: im Wettbewerb zwischen Anbietern, Produzierenden, Beschäftigten, die stärkste Kraft, die Bemühungen zur Steigerung der Ressourceneffizienz zu unterlaufen oder gar ins Gegenteil zu verkehren. Dabei ergibt sich die Bedeutung des Angebots bzw. der Produktion schon daraus, dass die Verbraucher ja bereits über ein Einkommen und mithin über Kaufkraft verfügen müssen, um durch ihr Konsumverhalten das Ökosystem gleichsam ein weiteres Mal zu übernutzen. Der Ressourcenverbrauch lässt sich nämlich als eine beinahe notwendige Antwort auf die «Menschheitstragödie der Konkurrenz» (Simmel 1900, S. 237 f.) begreifen.

Simmel verortet die Konkurrenz bzw. den Wettbewerb offenbar in einer «Natur des Menschen». Demgegenüber wird der Wettbewerb hier als unausweichlicher Bestandteil einer Marktwirtschaft angenommen, der allerdings mehr oder minder stark ausgebildet sein kann. (Letzteres hängt basal von der Nachdrücklichkeit bzw. Radikalität ab (oder je nachdem: der Gier), mit der gewisse Marktteilnehmer nach Markterfolgen streben.) Marktwirtschaft bedeutet, dass stets Wettbewerb besteht. (Dies gilt streng genommen nur, insoweit Käufer und Verkäufer nicht morgen das Gleiche kaufen bzw. verkaufen wie heute und somit ihren laufenden Tauschpartnern nicht «kündigen».) Dieser aber muss nicht schrankenlos sein, wiewohl die gegenwärtige Entwicklung genau in diese Richtung weist.

Die «nächstliegende Antwort» auf den Druck des Wettbewerbs, so Simmel weiter, ist «die Ablenkung des Kampfes gegen den Mitmenschen in den Kampf gegen die Natur».

Exkurs: Der allgemeine Wohlstand basiert auf industrieller Produktion, nicht auf Dienstleistungen (Industrialismusthese)

Innerhalb des reinen (Markt-)«Kampfes» bzw. des Austausches von Mensch zu Mensch würde man sich auf dem Felde reiner Dienstleistungen und d.h.: personenbezogener Dienste bewegen. Die «Essenz» von Dienstleistungen ist ihre «persönliche Natur» (Gershuny 1977, S. 111). Es handelt sich im einfachsten Fall um eine «direkte Beziehung zwischen Bedienstetem und Bedientem», ohne die Vermittlung von «Dingen» (ebd.). Es werden weder Güter produziert noch, jedenfalls im Fall reiner Dienstleistungen, Güter für die Angebotserstellung gebraucht. Jedenfalls tritt der Gebrauch von Dingen gegenüber der sozusagen nackten Arbeitsleistung für den Käufer der Leistung zurück. Der Frisör braucht eine Schere, der Gärtner einen Rasenmäher. Aber dies ist nicht die Essenz dieser Art der Leistungserbringung, für die der Gebrauch und Verbrauch von Ressourcen zweitrangig ist. Der Masseur braucht nur seine Hände, der Berater nur sein Gehirn.

Durch personenbezogene Dienste wird man allerdings, jedenfalls in der Regel und aufs Ganze gesehen, d.h. von Ausnahmen, vor allem im Luxusbereich, abgesehen, kaum eine drohende oder bereits eingetretene Einkommensschwäche kompensieren können. Darum ja die Angst vieler Menschen, sich nach dem Verlust einer leidlich gut bezahlten Anstellung ins wachsende «Dienstleistungsproletariat» einreihen zu müssen (Bude 2014, S. 84 ff.). Personenbezogene Dienste mögen zwar wunderbare ökologische Eigenschaften aufweisen, weil sie sich weitgehend dematerialisiert vollziehen, doch kann man damit kaum Geld verdienen, weil es hier kaum realwirtschaftliche Tauschvorteile gibt. «Die Armen» finden kein Auskommen, «indem sie die Wäsche für andere Arme machen» (Gershuny 2000, S. 37 ff.). In einer egalitären (Leistungs-)Gesellschaft lohnt es sich einfach nicht, das, was man doch eigentlich selbst machen könnte, von anderen machen zu lassen, und zwar für beide Seite nicht. In den Worten von Adam Smith (1906, S. 78): Der reine Dienstleister «erzeugt … nichts, wofür sich [mit dem als Gegenleistung erhaltenen Geld] eine gleiche Menge von Diensten später beschaffen ließe». Wenn wir davon absehen, dass die Dienstleister einer Gesellschaft realökonomisch von den Industrieproduzenten subventioniert werden, so gilt, dass eine Dienstleistungswirtschaft eine Dienstbotenwirtschaft wäre, weil sich nur Reiche personenbezogene Dienste leisten können, die Armen aber nicht wiederum deren Leistungsangebote.

Der Wohlstand, der zwar nicht (mehr) unbedingt ein allgemeiner ist (im Sinne von «Wohlstand für alle»), aber doch das Potential dazu hat, die «Güterfülle» (Peter Ulrich) also, ist das Resultat einer industriellen Entwicklung, d.h. des Einsatzes von Technologie, «machinery» (Ricardo), und zwar in arbeitsteiliger Weise. Dies war dem (gegenüber Klassik und Neoklassik) «anderen Kanon» von Ökonomie, der historischen Schule, die die Theorielandschaft lange Zeit dominierte (in Deutschland von etwa 1650 bis 1950) klar bewusst (Reinert 2014, S. 54, 63). Alle Ökonomen damals wussten: «Ein Land ohne Industrie ist zur Armut verdammt.» (S. 21, vgl. auch S. 65 ff.)

«No country has become rich solely on the basis of its service sector.» Chang 2007, S. 200. Die Erfolge von Steueroasen sind als Abschöpfungserfolge zu deuten und bilden hiervon also keine Ausnahme.

Industrielle Produktion erlaubt steigende Skalenerträge. Im Unterschied dazu sinkt in der Landwirtschaft (wenn wir von ihrem industriellen Teil abstrahieren) die Ausbringungsmenge bei steigenden Arbeitseinsatz: Die besten Böden hat man zuerst bewirtschaftet. Nachher muss man, wenn man die Produktion steigern will, auf immer schlechtere Böden ausweichen. (Daraus ergab sich bekanntlich der Pessimismus von Thomas Malthus.)

Weil nur die industrielle Produktion echte realökonomische Tauschvorteile erzeugt und damit ein (gegenüber der vorindustriellen Zeit) komfortables oder gar luxuriöses Leben erlaubt, was sich technisch in steigenden Skalenerträgen abbilden lässt, wäre eine Dienstleistungswirtschaft auch keine wachsende Wirtschaft. (Zu diesem Ergebnis gelangt auch Jackson 2011, S. 136 ff., 199.) In dynamischer Betrachtung, d.h. unter Berücksichtigung (und Hinnahme) des wettbewerblich erzeugten Drucks, sein Leistungsangebot fortwährend «verbessern» zu müssen, lässt sich hier die «Baumolʼsche Kostenkrankheit» ins Feld führen (Baumol 2012): Die Industrieproduktion erlaubt die Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch Einsatz von Technik. Dienstleister wie etwa Pfleger können aber nicht schneller pflegen (auch wenn der Druck dahin geht, es gibt aber sicher absolute Grenzen), und der Dirigent kann nicht nur, er soll auch nicht schneller dirigieren.

Angesichts des hohen und nach wie vor wachsenden Anteils an «Dienstleistungen» in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von derzeit in Deutschland fast 70% (Statistisches Bundesamt 2019, S. 11), der die Fourastié-These bestätigt, und des Industrieanteils (verarbeitendes Gewerbe plus Baugewerbe) von etwa 30% könnte man annehmen, dass die Volkswirtschaften in Armut versinken. Allerdings handelt es sich bei den meisten der in den volkswirtschaftlichen Statistiken als «Dienstleistungen» klassierten Beschäftigungen (vgl. Statistisches Bundesamt 2019, S. 20 f.) um ausgelagerte oder komplementär notwendige Tätigkeiten der Industrieproduktion. Letzteres gilt insbesondere für die Unternehmensdienstleistungen (knapp 10% am BIP). Und ohne Handel (15% am BIP) kommen die Industriegüter nicht in die Läden. Der Verkehr (4%) benötigt nicht nur Industrieprodukte (Lastwagen, Schiffe, Rohre), sondern verteilt im Wesentlichen auch solche. Die Leute müssen sich auch bilden und ausbilden lassen, und sie müssen gesund bleiben (Erziehung und Unterricht sowie Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit: 20%), um auch in oder für die Industrieproduktion tätig sein zu können.

Pikanterweise bestätigt Daniel Bell (1999, S. xiv), der Advokat einer «nachindustriellen Gesellschaft», diese, wie er es nennt, «ökonomistische» Sicht: Der Dienstleistungssektor sei nicht etwa «unproduktiv», sondern trage, vor allem durch Dienstleistungen im Bereich Gesundheit und Bildung, zur «Steigerung der Produktivität innerhalb der Gesellschaft» bei, indem er «die Leistungsfähigkeit der Individuen erhöht» – «making individuals more fit for work», in der und für die industrielle Produktion, wäre hinzuzufügen.

Insgesamt dürfte also der funktionale Beitrag der industriellen Produktion für die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung deutlich zu tief ausgewiesen werden. Und auch die tatsächlich als Dienstleistungen auszuweisenden Beschäftigungen (inkl. solcher, bei welchen der Industrieanteil eher gering ausfällt) sind auf die realwirtschaftliche Produktion angewiesen und werden höchstwahrscheinlich von dieser «alimentiert» (oder sie schöpfen Wert aus der industriellen Wertschöpfung ab). Dies ist jedenfalls die These des Wirtschaftsjournalisten Michael Roscoe (2014, S. 11), der hier gefolgt wird. «Services are dependent on the wealth created by manufacturing.» Dadurch, dass die, gemessen am erreichten Produktivitätsniveau der Industrieproduktion, an sich «unproduktiven» Dienstleister durch die Industrie als dem Ort der «genuinen Wohlstandserzeugung» «unterstützt» werden, haben sie teil an der gesamtwirtschaftlichen realökonomischen Wertschöpfung, so dass sich der «tatsächliche Wohlstand» «ausbreitet», zu dem sie selbst in der Wirkung (nicht im Leistungseinsatz) als Leistungsanbieter (nicht einfach als Transferzahlungsempfänger) nur unterproportional beitragen. (Vgl. zusammenfassend Roscoe 2014, S. 121f., vgl. auch S. 126, 134, 143 f.)

Somit bleibt es volkswirtschaftlich gesehen dabei, dass zumindest einige derjenigen, die vom Wettbewerb verdrängt werden, nur reüssieren können, in dem sie «weitere Substanzen und Kräfte aus dem noch unokkupierten Vorrat der Natur in die menschlichen Nutznießungen» hineinziehen (Simmel 1900, S. 305).

Die Vision Daniel Bells (1999, S. 116) einer «postindustriellen Gesellschaft», bei der das «Spiel gegen die technisierte Natur» der industriellen Produktion durch das «Spiel zwischen Menschen» abgelöst würde, verkennt nicht nur die «Menschheitstragödie der Konkurrenz» (Simmel) bzw. die Wettbewerblichkeit der entfesselten Marktlogik – so dass statt von einem «Spiel [game]» eher von einem Kampf gesprochen werden müsste –, sondern auch, dass der Wettbewerbskampf ohne gleichsam erlösenden Zugriff auf Ressourcen und deren technische Be- und Verarbeitung zumindest für einige der ihm Unterworfenen buchstäblich aussichtslos bliebe.

Dafür erhalten die Anbieter Einkommen, mit denen sie Dinge kaufen können, die andere Produzenten, die ihrerseits die Kräfte der Natur «okkupiert» und nutzbringend verarbeitet haben, anbieten. (Überdies sind damit die realökonomischen Überschüsse vorhanden, um sich Dienstleistungen zu kaufen, die sonst unerschwinglich wären, da die unmittelbaren, sozusagen nackten Tauschvorteile zu gering wären. Und diesen Dienstleistern wird dadurch die Teilhabe an der Industrieproduktion ermöglicht.) Erst durch diese technische, hochgradig arbeitsteilig und marktförmig organisierte Aneignung der Natur und ihrer Kräfte entsteht der allgemeine Konsumgüterwohlstand bzw. «real wealth» (Roscoe). Energetisch spielen hierbei die fossilen Brennstoffe, die gut 80 Prozent der genutzten Primärenergie ausmachen, eine entscheidende Rolle.

Die Bedeutung fossiler Energieträger (damals noch fast ausschließlich in Form von Kohle) für die Wohlstandserzeugung erkannte bereits Jevons (1866, S. 5): «Coal in truth stands not beside but entirely above all other commodities. It is the material energy of the country – the universal aid – the factor in everything we do. With coal almost any feat is possible or easy; without it we are thrown back into the laborious poverty of early times.» Und daran dürfte sich, folgen wir den Prognosen, trotz wachsender Bedeutung regenerativer Energien, in den nächsten Jahren wenig ändern. Die US Energy Information Administration (EIA) schätzt, dass fossile Brennstoffe auch im Jahre 2040 77% der Primärenergie liefern werden. Dazu bei trägt insbesondere die junge (dann erwachsene) Bevölkerung in den Schwellenländern, «who will be looking to literally fuel their economies with growth industries so they can cash in on their ‚youth dividend‘.» (Jezard 2017) Nur so, durch den Export von Gütern und damit zugleich von «grauer Energie», kommen sie an die hohe Kaufkraft der früher industrialisierten Wohlstandsstaaten heran, die sich nun auf oberen Etagen der globalisierten, durch lange Wertschöpfungsketten bestimmten industriellen Produktion (Management, Forschung und Entwicklung, Design, Vermarktung usw.) spezialisiert haben. Zwar wird der Anteil fossiler Energieträger leicht sinken, ihr absoluter Verbrauch jedoch bis 2040 um 18% steigen. Was wiederum die These Paechs bestätigt, dass der «grüne» Anteil am Wachstum zum bestehenden Ressourcenverbrauch bloß hinzukommt.

Dieser Zwang zur «Okkupation» (Simmel) von Ressourcen und natürlichen Energiequellen kann etwa in folgender Weise zu Rebound-Effekten führen: Die zunehmende Ressourcenknappheit («Peak Everything») oder auch eine gezielte politische Regulierung (Verknappung oder Verteuerung) führt zunächst zu einem Preisanstieg bei Energien und Ressourcen. Dieser Preisanstieg bildet den Anlass für die Steigerung der Ressourceneffizienz. Er kann aber auch durch eine Ausweitung der Fördermengen zu kompensieren versucht werden. So hat u.a. die Gewinnung von Schiefergas vermittels Fracking die Energiepreise global fallen lassen – und den USA eine gewisse Reindustrialisierung beschert (Steltzner 2014). Somit – und letztlich nur somit – können amerikanische Firmen im In- oder Ausland mehr werthaltige Produkte anbieten und der Wettbewerbsschwäche entkommen.

4. Die gesamtwirtschaftliche Abhängigkeit von Ressourcen im Allgemeinen und von fossilen Energieträgern im Besonderen – das Beispiel der Schweiz

In den üblichen Berechnungen der durch ein Land und seine Wirtschaft erzeugten Umweltbelastungen wird vom Territorialprinzip ausgegangen: Was vom Territorium des Landes, seinem Hoheitsgebiet, (etwa an Treibhausgasen) emittiert und wie dieses Territorium selbst durch innerhalb des Landes vollzogene Tätigkeiten umweltbelastet wird, wird dem Land bzw. seinen Bewohnern als Anteil an der Weltumweltbelastung zugerechnet.

«Unter der Klimakonvention der Vereinten Nationen werden die Treibhausgasemissionen im Hoheitsgebiet der einzelnen Staaten erfasst. Ausgehend von diesem Inventar legen die Länder Reduktionsziele fest und messen die erzielten Fortschritte.» Diesen territorialen Verpflichtungen kann ein Land gemäß dem Klimaübereinkommen von Paris allerdings auch teilweise durch Maßnahmen, die im Ausland wirken, nachkommen. Vgl. BAFU 2017. Vgl. auch BAFU 2007, S. 28.

Das Schweizer Bundesamt für Umwelt (Frischknecht et al. 2018, S. 8 f., 26 f.), spricht hierbei von einer Berechnung bzw. Schätzung («Modellierung») gemäß sog. «Produktionsperspektive».

Strenggenommen beruhen die Berechnungen auf dem Inlandsprinzip, um die Daten mit der VGR vergleichbar zu machen. Der Unterschied besteht darin, dass sämtliche ökonomischen Aktivitäten der auf dem Territorium eines Landes formal, also mit ihrem Firmensitz «gebietsansässigen Wirtschaftseinheiten» berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob diese im In- oder Ausland stattfinden (BAFU 2014, S. 30). Der Unterschied macht sich vor allem bei den Treibhausgas-Emissionen durch den Flugverkehr schweizerischer Fluggesellschaften bemerkbar (BAFU 2014, S. 93 f.; Frischknecht et al. 2018, S. 53).

Diese umfasst erstens die Umweltbelastungen, die durch die Produktion im Inland erzeugt werden, einerlei, ob die Güter im Inland vertrieben oder für den Export produziert werden, und zweitens die Umweltbelastungen, die während des Gebrauchs von im Inland oder Ausland produzierten Gütern durch Haushalte anfallen. Unter diesem Gesichtspunkt hat sich die Umweltbelastung, die u.a. den Beitrag zum Klimawandel, zur Boden-, Wasser- und Luftqualität oder unter dem Stichwort Boden die Biodiversitätsverluste durch Landnutzung und Abfälle umfasst, seit 1996 deutlich, nämlich um 33% verringert (Frischknecht et al. 2018, S. 36 f.). Mit Blick beispielsweise auf den Energieverbrauch hat sich die Umweltbelastung vom BIP-Wachstum relativ entkoppelt: zwischen 2000 und 2016 stieg das BIP pro Person um 14%, der Energieverbrauch nur um 0,9%, und die Treibhausgasemissionen sanken um 8% (Bundesrat 2018, S. 27). (Angesichts des Umstandes, dass die Schweizer Wohnbevölkerung im betrachteten Zeitraum (1996-2015) um 17% gestiegen ist (durch Zuwanderung), wird im Folgenden allein die Umweltbelastung pro Person betrachtet.) Man könnte hier, jedenfalls für die Schweiz, beinahe von einem «grünen» Wachstum sprechen.

Wenn man allerdings die Konsumenten, die ja gemäß vorherrschender wirtschaftswissenschaftlicher Auffassung die «Souveräne» des wirtschaftlichen Geschehens sind (soweit sie über die nötige Kaufkraft verfügen, wäre hinzuzufügen), als die Verursacher der Umweltbelastungen begreift, was «Konsumperspektive» genannt wird, dann gelangt man zunächst zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass die Konsumentinnen und Konsumenten, die auf dem Territorium der Schweiz ihren Wohnsitz haben, 73 Prozent der Umweltbelastungen exportieren, so dass diese territorial gesehen im Ausland anfallen (Frischknecht et al. 2018, S. 39 f.). (Ähnlich verhält es sich im weitgehend deindustrialisierten Großbritannien. Vgl. Jackson 2011, S. 137.) Dabei ist überdies anzumerken, dass dieser Anteil seit 1996 stetig gewachsen ist. «Die durch den Schweizer Konsum ausgelöste Umweltbelastung» ist somit «deutlich grösser ist als die im Inland entstehende» (Frischknecht et al. 2018, S. 9).

Die sog. konsumbedingte Umweltbelastung, die auch «Gesamtumweltbelastung» genannt wird, setzt sich aus drei Komponenten zusammen (Frischknecht et al. 2018, S. 8 f., 26 f.), nämlich aus den:

  1. durch den Ge- und Verbrauch von im In- oder Ausland produzierten Gütern durch in der Schweiz ansässige Konsumenten entstehenden Umweltbelastungen (man denke an den Kraftstoffverbrauch durch Fahrten innerhalb der Schweiz),
  2. durch Schweizer Betriebe verursachten Umweltbelastung, soweit deren Produkte von Schweizer Haushalten konsumiert werden; in dieser Sicht verursachen die schweizerischen Konsumenten diese Produktion und verantworten damit zugleich die damit verbundenen Umweltbelastungen; im Unterschied zur «Produktionsperspektive» werden die im Inland im Produktionsprozess entstehenden Umweltbelastungen der Exportindustrie nicht einberechnet bzw. gegenüber dieser in Abzug gebracht; für diese Umweltbelastungen werden wiederum die im Ausland ansässigen Käufer verantwortlich gemacht,
  3. bei der Produktion und durch den Transport importierter Güter entstehenden Umweltbelastungen durch Betriebe im Ausland; man denke an den Energieverbrauch bei der Herstellung von im Ausland produzierten Kraftfahrzeugen, womit sog. «graue Energie» importiert bzw. deren Umweltbelastungen exportiert werden; auch aus dem Ausland bezogene Vorleistungen, die Schweizer Betriebe verarbeiten, werden nun berücksichtigt, allerdings nur, wenn die Produkte auch im Inland verkauft werden; die Umweltbelastungen von Vorleistungen für die Produktion von Exportgütern bleiben unberücksichtigt und fungieren gleichsam als bloße Durchlaufposten. Dabei kann sich die Studie nur auf Schätzungen berufen, denn es «lässt sich nicht eruieren, welche importierten Vorleistungen in der Schweiz verarbeitet und wieder exportiert werden» (Frischknecht et al. 2018, S. 27).

Zwar übersteigt die exterritoriale Umweltbelastung die im Inland erzeugte bei weitem, so dass beispielsweise «gegen zwei Drittel des Schweizer Treibhausgas-Fußabdrucks derzeit außerhalb des eigenen Territoriums verursacht werden – mit steigender Tendenz» (Bundesrat 2018, S. 35). Doch ist auch die durch den inländischen Konsum global ausgelöste Gesamtumweltbelastung seit 1996 pro Kopf gesunken, nämlich um 19% (Frischknecht et al. 2018, S. 38 f.). Auch hier gibt es also eine gewisse Entkopplung vom BIP-Wachstum. Der aus der Inlands- bzw. Produktionsperspektive zu verzeichnende Entkopplungserfolg wird dadurch allerdings auch geschwächt und teilweise überkompensiert. Dies gilt vor allem für die gewichtigen Treibhausgasemissionen. So sank die inländische Emission von Treibhausgasen zwischen 1996 und 2015 um 3 Millionen Tonnen auf 59 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente; hingegen stiegen sie durch den Konsum (Inland + Importe – Exporte) um 12% auf 116 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Frischknecht et al. 2018, S 53 f.). Umgerechnet auf die Belastung pro Person wird damit der angenommene Schwellenwert für die Belastbarkeitsgrenze des Planeten Erde um den Faktor 23 überstiegen (Bundesrat 2018, S. 22 f). Für die im Inland physisch produzierten Treibhausgasemissionen beläuft sich der Faktor folglich «nur» (oder immerhin nur) auf das 12-Fache der für den Planeten Erde klimatisch nachhaltigen Belastbarkeit.

Dieser – mit Blick auf das hohe Konsumniveau der Schweiz – vergleichsweise tiefe Wert hat auch mit der geografisch günstigen Lage der Schweiz zu tun, die einen hohen Anteil an Wasserkraft zur Energieerzeugung erlaubt. Vgl. Bundesrat 2018, S. 32. Dabei ist allerdings auch zu beachten, dass erhebliche Anteile dieser Wasserkraftenergie exportiert wird, was wiederum die konsumbezogene Umweltbilanz der Schweiz verschlechtert (vgl. Frischknecht et al. 2018, S. 91).

Die – wenn auch bescheidenen und offenkundig nach wie vor äußerst unzureichenden – Erfolge bei der Umwelteffizienz (durch die das BIP-Wachstum weitgehen können soll) führen die Autoren auf eine Zunahme des «weniger Ressourcen beanspruchenden» Dienstleistungssektors zulasten des Industriesektors innerhalb der Schweiz zurück (Bundesrat 2018, S. 27; Frischknecht et al. 2018, 57). Daraus könnte man die Botschaft ableiten, andere Länder sollten es doch der Schweiz nachtun und sich wie diese mehr in eine Dienstleistungswirtschaft verwandeln. Dieses «Macht’s doch so wie wir» wird allerdings derzeit noch konterkariert durch das Problem der zunehmenden «Verlagerung ressourcenintensiverer Produktionsschritte» für den schweizerischen Endverbrauch «aus der Schweiz ins Ausland» (Bundesrat 2018, S. 27). Diesem Problem soll (im Kern) individualethisch begegnet werden, nämlich durch mehr «Transparenz» bezüglich des Ressourcenverbrauchs «entlang der gesamten Wertschöpfungskette» (Bundesrat 2018, S. 35) – um die «grauen» Umweltbelastungen den Konsumenten bewusst zu machen, so dass diese entweder umwelteffizienter hergestellte Produkte erwerben können (so sie dies wollen). (Die Umwelteffizienz müsste derart hoch ausfallen, dass sie die zusätzliche Umweltbelastung durch vermehrten Transport überkompensieren müsste.) Oder vielleicht mehr Dienstleistungen erwerben, was ökologisch konsequent, aber durch Import auch eher sinn- bzw. aussichtslos wäre.

Eine solche Deindustrialisierungsstrategie (die nicht ausdrücklich vertreten wird, aber in der Konsequenz der Überlegen liegt) ist allerdings weder mit einem weiteren, jedenfalls nicht mit einem ungebremsten Wirtschaftswachstum noch ist sie mit dem derzeitigen Konsumniveau innerhalb der Schweiz vereinbar. Die Industrialismusthese besagt, dass der allgemeine Wohlstand auf der Nutzung, also der Verarbeitung von Rohstoffen beruht – und energetisch insbesondere auf der Nutzung fossiler Brennstoffe, ohne die kaum etwas bewegt wird. Das erreichte Niveau des derzeitigen Güterwohlstands beruht in seiner Struktur gesamthaft wesentlich auf fossiler Energie. (Die «Produktionsmächtigkeit» der Energie spielt gemäß Santarius (2014, S. 113) eine «Schlüsselrolle im Wachstumsprozess» und wird etwa für Deutschland auf 38 Prozent des BIP veranschlagt.) Dies bedeutet allerdings nicht, dass diejenigen, die diese für die Produktion einsetzen, die höchsten Einkommen erzielen. Die höchsten Einkommen, jedenfalls sehr hohe, werden vielmehr in der Schweiz erzielt. Die Schweiz verfügt über eine hochkompetitive Volkswirtschaft, die etwa ein Drittel ihres BIP durch Exporte von hochwertigen Gütern und Dienstleistungen im Ausland erzielt (Pharmaprodukte, Maschinen, Uhren, Präzisionsinstrumente (EZV 2019, S. 9.) – und Groß- und Privatbanken), einen Außenhandelsüberschuss von etwa 5 Prozent des BIP erwirtschaftet und darum sehr wohlhabend ist. Sie kann es sich leisten, von allzu «schmutziger» und energiefressender Produktion abzulassen und damit die Umweltbelastungen ins Ausland zu verlagern. (Vgl. zur Verlagerungsthese auch Jackson 2011, S. 86.) Dies scheint ein allgemeines Muster zu sein. Die «scheinbare relative Entkopplung» des Ressourcenverbrauchs vom inländischen Wachstum, die in Ländern mit hohen Einkommen festgestellt werden kann, wird also «einfach durch die Verlagerung der ressourcen- und energieintensiven Stufen der Produktion» erreicht (UNEP 2016, S. 24, 68; vgl. auch UNEP 2011, S. 15 f.).

Doch warum können sich die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten dies leisten? Wie gelingt es der Schweiz – genauer: den im Land ansässigen Konsumenten – derart viele Ressourcen zu beanspruchen? Nun, die Schweizer Wirtschaft ist keineswegs eine Dienstleistungswirtschaft, jedenfalls sind Dienstleistungen nicht das, was ihre globale Kaufkraft begründet oder begründen könnte. Bei den Dienstleistungen (mehr als 70% BIP-Anteil) handelt es sich vielfach um Vorleistungen u.a. für die Exportindustrie. Und diese selbst hat sich vorrangig auf gut bezahlte Ingenieur- und Managementdienstleistungen spezialisiert. Die industrielle Produktion bewegt sich damit im Felde sogenannter «elaborately transformed manufactures», mit deren Hilfe sich hohe Einkommen bei geringem Materialdurchlauf verbinden lassen (UNEP 2016, S. 40).

Dies ist natürlich kein Spezifikum der Schweiz, sondern findet sich in mehr oder minder stark ausgeprägtem Maße in vielen OECD-Staaten. Diese Produktionsweise entspricht im Wesentlichen der «diversifizierten Qualitätsproduktion», einem Produktionsregime, welches Wolfgang Streeck (1991) als Spezifikum Deutschlands ausmacht. «Die Wertschöpfung resultiert dabei nur noch am Rande aus der Stoffumwandlung, wie in der klassischen Industrie. Sie lebt vielmehr von integriertem Wissen über Bedürfnisse am Markt, Problemlösungen durch Forschung und Entwicklung, Herstellungsverfahren, Anwendungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten …» usw. Abelshauser 2011, S. 40 f.

Die Angewiesenheit dieser Produktion bzw. ihrer Produzenten (als Konsumenten) von der «schmutzigen», materialintensiven Industrieproduktion, die irgendwo in der Welt stattfindet, ergibt sich zum einen daraus, dass jene diese dirigiert oder dort Produziertes oder Extrahiertes veredelt. Damit wird das Geld verdient, um durch «graue» Energieimporte ganz vorne beim Güterwohlstand dabei zu sein. Aber nicht nur dadurch. Immerhin ein Drittel des finanziell bewerteten Exportvolumens sind Dienstleistungsexporte (SNB). (Der Goldhandel, der für die Schweiz einen erheblichen Umfang hat (und als Arbitragegeschäft ebenfalls weitgehend den Dienstleistungen zuzurechnen ist), ist dabei ausgenommen.) Es handelt sich dabei, neben dem Tourismus, zu guten Teilen um Finanzdienstleistungen (mit abnehmender Bedeutung) und in wachsendem Maße um Lizenzeinnahmen (SNB, S. 11), also weniger um Wertschöpfungs- als vielmehr um Abschöpfungsleistungen, die allerdings weitere Kaufkraft in den Standort Schweiz spülen.

Bis Anfang der 1970er Jahre galten die Gewinne von Banken als «Transfers» (genauso wie der Gewinn aus dem Verkauf von Gebrauchsgütern oder Vermögensgegenständen), flossen also nicht in die Berechnung des BIP, welches eben nur vergütete (Netto-)Leistungserstellungen misst, ein. Vgl. Mazzucato 2018, S. 96, 104 ff.

Durch diese Art des im besonderen Maße hochwertigen Einfügens der Schweizer Wirtschaft in die globale und sich weiter globalisierende Arbeitsteilung verfügen die in der Schweiz ansässigen Käufer – die Schweiz hat nach Luxemburg das zweithöchste BIP pro Kopf – über die Machtmittel, d.h. die Kaufkraft, sich massenhaft in «grauer» Weise Ressourcen und Energie anzueignen, etwa durch den Import von mit «schmutziger» Kohle produzierten und mit Schweröl transportierten Gütern (etwa Textilien) aus China. Dazu gibt es keine Alternative – wenn der betrachtete schweizerische Konsument sein materielles Wohlstandsniveau halten will und wenn die globale Umwelteffizienz nicht dramatisch steigt.

Doch auch produzentenseitig stellt sich die Situation als im Kern alternativlos dar – unter Hinnahme der bestehenden globalen Wettbewerbs- und Verteilungsbedingungen. Denn zumindest einigen derjenigen, die, wie alle, im globalen Wettbewerb unter Druck geraten, bleibt gar nichts anderes übrig, als natürliche Ressourcen, und hier vor allem fossile Brennstoffe, für ihre Produktion zu «okkupieren» (Simmel), da sie ansonsten an die Kaufkraft der Schweiz oder natürlich an die anderer wohlhabender Ländern, in die sie exportieren wollen oder müssen (um ihrer Not zu entkommen), nicht herankommen.

So mag «der Druck auf die Artenvielfalt in den produzierenden Ländern durch den Konsum von Importgütern zugenommen» haben (SDA 2018). Die Beschäftigten in diesen Ländern hätten dann allerdings einen ganz anderen Druck zu gewärtigen, Armutsdruck nämlich.

Einige Anbieter, letztlich Beschäftigte der globalisierten Wirtschaft, die im Wettbewerb unter Druck geraten, müssen auf die Ausbeutung von Naturressourcen zurückgreifen, weil das globale Gesamtsystem der Wohlstandsproduktion auf diese Ausbeutung energetisch und materiell angewiesen ist. Und wenn dieses Gesamtsystem wachsen soll und wachsen muss, weil sonst die im Wettbewerb Verdrängten arbeits- und einkommenslos blieben, muss irgendwo der Ressourcenverbrauch «additiv» (Paech) steigen. (Es sei denn, die verwendeten Ressourcen würden in überproportionaler Weise umwelteffizienter eingesetzt als zuvor; vgl. Abschnitt 5.) (Vgl. zum Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Wachstum Thielemann 2010, S. 357 ff., andeutungsweise Jackson 2011, S. 107.) Möglicherweise lässt sich auch dies als ein Rebound-Effekt deuten: Die, wenn auch schwache, Steigerung der Umwelteffizienz in reifen (alten), hochkompetitiven Volkswirtschaften wird kompensiert durch den Import «grauer Energie».

Damit korrespondiert, dass mehr als die Hälfte des weltweiten, reiche wie arme, OECD-Staaten wie Schwellenländer einschließenden Endenergieverbrauchs (offenbar: territorial betrachtet) für die Produktion von Gütern eingesetzt wird und nur 13% davon auf Haushalte entfällt. Viele dieser Güter werden sodann exportiert (und nicht im eigenen Lande gebraucht) und mit ihnen die für sie aufgebrachte «graue Energie». Dies erhellt auch der Umstand, dass innerhalb der – im globalen Maßstab – wohlhabenden EU nur ein Viertel der Endenergie von Unternehmen verbraucht und ein weiteres Viertel von Haushalten unmittelbar konsumiert wird. (Der Rest verteilt sich auf Verkehr, der die private Nutzung von Kraftfahrzeugen einschließt (EU 33%, Welt 26%) und auf den Bereich Handel bzw. Dienstleistungen (EU 13,6%, Welt 7%).) Die globale Arbeitsteilung sieht also so aus, dass die industrialisierten Schwellenländer für die sich an die Spitze der globalen Wertschöpfungsketten gesetzten alten «Industrieländer» produzieren. Natürlich billig, weshalb die Leistungsbilanz etwa zu China nicht negativ sein muss. Aber eben in besonderem Maße ressourcen- und energieintensiv. Täten sie es nicht, fielen sie zurück auf das Niveau eines sog. Entwicklungslandes. Oder sie rücken auf das Niveau der Champions (Deutschland, die Schweiz usw.) vor und verbrauchen dann leicht weniger Ressourcen relativ zum BIP (dies ist derzeitige die Strategie Chinas). Aber auch dies würde gesamthaft nicht weiterhelfen.

5. Die Illusion einer absoluten Entkopplung unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbsregimes

Insoweit der allgemeine Wohlstand im Wesentlichen auf der industriellen Aneignung und Verarbeitung natürlicher Ressourcen basiert, kommt alles darauf an, den Ressourceneinsatz «umwelteffizienter» zu gestalten: weniger Ressourcen oder der Einsatz von weniger schädlichen Ressourcen bei gleichem oder gar steigenden Güteroutput. Diese Frage wird umso drängender dann, wenn die Wirtschaft weiter wachsen soll (um des globalen Güterwohlstandes willen) oder wenn sie weiter wachsen muss, damit den Wettbewerbsverlierern nicht der Absturz droht.

Diese zweite Option erübrigt sich auf einer globalen Ebene der Thematisierung, auf der wir konzeptionell die gesamte Menschheit adressieren. Hier kann es keinen Zwang, kein Müssen geben. Jeder Zwang, dem eine Person A unterliegt, muss in einen berechtigten oder unberechtigten Anspruch einer anderen Person überführt werden können.

Mit Blick auf die drängende Klimafrage müssen allerdings bereits theoretische Überschlagsrechnungen die Befürworter eines «grünen Wachstums» enttäuschen. Wenn nur schon die alten Emissionsziele des Weltklimarates eingehalten werden sollen (Zwei-Grad-Ziel, seit der UN-Klimakonferenz in Katowice 2018 gilt das 1,5-Grad-Ziel der Erderwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau) und die Wirtschaft weiter so wächst wie bislang, dann müsste die Kohlenstoffintensität des Welt-BIP, die heute 768 g CO2 pro in Dollar gemessener Wertschöpfungseinheit beträgt, im Jahre 2050 auf mindestens 36 g CO2/$ sinken, d.h. um das Einundzwangzigfache oder um 7 Prozent im Jahr oder zehn Mal schneller als derzeit durch Maßnahmen der Steigerung der Energieeffizienz und des Ausbaus erneuerbarer Energien. Dies ist einfach «unvorstellbar» (Jackson 2011, 35, 92 f.).

Andere Klimaforscher, die zu ähnlichen, im Kollegenkreis kaum bestrittenen Schlussfolgerungen gelangen, sind zuweilen «erschrocken über die radikalen Implikationen ihrer eigenen Forschung». Wenn die wissenschaftsbasierten Emissionsziele eingehalten werden sollen, so sei dies etwa gemäß den Forschern Kevin Anderson und Alice Bowis-Lakin nur möglich durch «radikale und unverzüglich in Angriff zu nehmende Strategien der Wachstumsrücknahme», jedenfalls «in den USA, der EU und anderen wohlhabenden Staaten». Vgl. Klein (2014, S. 86 ff.).

Die einige Jahre alten prognostischen Überlegungen Jacksons zeigen sich auch in den realen Statistiken. So stellt die Internationale Energieagentur (IEA) einen «ungebremst steigenden Energieverbrauch» fest, der im Jahre 2018 einen neuen Rekordwert erreicht hat. «Entkoppelt» habe sich der Energieverbrauch und die fast im gleichen Maße gestiegenen CO2-Emissionen vor allem von den «ambitionierten Klimaschutzzielen» – nicht etwa vom Wachstum der Weltwirtschaftsleistung (Theurer 2019).

Dies bedeutet nicht, dass es keine – relative – Entkopplung der Umweltbelastung vom Wirtschaftswachstum gegen habe. Das gesamte 20te Jahrhundert war eine Periode der Entkopplung: «In the past century, materials use grew at a smaller rate than GDP, and material productivity continuously improved at an average rate of 1% per year. By the centennial perspective, it is evident that relative dematerialization is a standard feature of economic development.» (Krausmann et al. 2009, S. 2703) Dies gilt vor allem für den pro-Kopf Verbrauch (UNEP 2011, S. 10 ff.). In dieser, von Krausmann et al. initiierten, gewissermaßen ziemlich groben Betrachtung, wird das Gesamtgewicht aller von Menschen genutzten (und zuvor extrahierten) Ressourcen addiert und absolut oder pro Kopf ins Verhältnis zum Welt-BIP gesetzt. Die Ressourcen werden dabei unterteilt in die Gruppen Biomasse, Baustoffe, fossile Energieträger sowie Erze und Industriemineralien (der Wasserverbrauch und die Landnutzung sind dabei offenbar ausgenommen). Der Pro-Kopf-Verbrauch verläuft genau parallel zur Wirtschaftsentwicklung. «Whenever the global economy experienced decline or stagnation, material and energy use slumped.» (Krausmann et al 2009, S. 2702) Aber das Welt-BIP wächst steiler, und progressiv steiler, als der Materialverbrauch, so dass der Entkopplungsgrad weiter steigt (vgl. UNEP 2011, S. 12).

Dies zeigt sich auch in den Hochrechnungen der OECD für das Jahr 2060. «The materials intensity of the global economy is projected to decline more rapidly than in recent decades – at a rate of 1.3% per year on average – reflecting a relative decoupling: global materials use increases, but not as fast as GDP.» (OECD 2018, S. 3) Doch hilft dies relative oder sogar steigend relative Entkopplung nicht, wenn es doch um die absolute Senkung gehen müsste. Nicht nur hat sich der Ressourcenverbrauch im Verlauf des 20ten Jahrhunderts insgesamt verachtfacht – und pro Kopf verdoppelt (UNEP 2011, S. 10). Den Prognosen der OECD zufolge soll es sich bis 2060 erneut absolut verdoppeln – was doch ein wunderbarer Erfolg ist, wenn man bedenkt, dass sich die Weltwirtschaftsleistung im gleichen Zeitraum vervierfachen soll (wobei der Pro-Kopf-Verbrauch nur um 36% steigen soll) (OECD 2018, S. 3, 5).

Für den Planeten Erde wäre diese Entwicklung allerdings katastrophal. Nicht nur wegen der Klimafolgen, sondern etwa auch mit Blick auf die Artenvielfalt und insbesondere das Insektensterben. Es wäre das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Sollten diese Prognosen eintreffen, würde sich die Menschheit aus dem «Sweet Spot» des Holozän «hinauskatapultieren», einer für die Menschheit «höchst gastfreundlichen Zeit», die uns klimatisch «die beste Heimat beschert hat, die wir je besaßen» (Raworth 2018, S. 102 f.). Sie begann vor etwa 12 000 Jahren und könnte, wenn wir nicht (weiter) ins menschengemachte, aber höchst menschenfeindliche Anthropzän abgleiten, noch weitere 50 000 Jahre anhalten (ebd.). Wenn die Prognosen etwa von Exxon Mobile eintreffen und die Treibhausgasemission bis 2030 nicht etwa sinken, sondern (im Vergleich zum Bevölkerungswachstum von 25%) «nur um 10% steigen» werden (Jezard 2017), dann dürften die von Klimaforschern befürchten Kippelelemente ausgelöst werden (etwa durch abtauende Permafrostböden, Freisetzung von in den Ozeanen bislang gebundenem Methan, ebenso des in borealen und dem Amazonas Wald gebundenen Kohlenstoffs), die sich selbst verstärken und den Planeten noch einmal erwärmen und unumkehrbar in ein «Treibhaus» verwandeln würden (Steffen et al. 2018). Damit würde eine «Heißzeit» eingeleitet mit im Vergleich zur vorindustriellen Zeit möglicherweise um 5 Grad höheren Temperaturen, wodurch der Planet seine «Bewohnbarkeit für die Menschheit» verlöre; dies etwa, weil die klimatischen Veränderungen Ausmaße annehmen könnten, die die Anpassungsfähigkeit der Nahrungsmittelproduktion übersteigen würde (Steffen et al. 2018, S. 8256).

Um dieses dystopische Szenario zu verhindern, so einer der Autoren des Hothouse Earth Papers, Will Steffen, müsse sich die Welt von der «so genannten neoliberalen Ökonomie», die die Weltwirtschaft seit geraumer Zeit dominiere und dabei Regulierungen zurückgefahren und sich an den Wünschen der «bedeutenden Industriezweige» orientiert habe, verabschieden (Aronoff 2018). Weil die Dekarbonisierung sich so rasch vollziehen müsse, bedürfe es einer Wirtschaftspolitik nach Art einer Kriegswirtschaft («wartime footing»), also einer stark dirigistischen Wirtschaftspolitik, die «gegen die vorherrschende ökonomische Logik» agiere. Nur so sei die dringend erforderliche «Kehrtwende» möglich. Diese Notwendigkeit ergibt sich auch und vor allem daraus, dass Anstrengungen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen zwar gewisse «lokale Erfolge» gezeitigt hätten, aber «nur geringe globale Erfolge» (Steffen et al. 2018, S. 8256 f). Mit anderen Worten: weil die wettbewerbsinduzierte Reboundlogik unerbittlich zuschlägt und so nur eine relative, aber nicht die dringend benötigte absolute Entkopplung des Ressourcenverbrauchs im Allgemeinen und der Verwendung fossiler Brennstoffe im Besonderen vom Wirtschaftswachstum bzw. eine absolute Reduktion erreicht werden kann – solange die globale Wettbewerbsmaschinerie in Gang ist.

Lokale Anstrengungen sind zwar nicht wirkungslos, sie werden aber in ihrer globalen Gesamtwirkung dadurch deutlich gemindert, dass gerade durch diese Anstrengungen die nicht mehr benötigten Ressourcen an anderen Orten leichter verfügbar werden, die dann andere nutzen, sei es, dass sie diese nutzen wollen oder nutzen müssen, um ihren ökonomischen Status im globalen Wettbewerb mindestens zu halten. Dies schlägt sich etwa darin nieder, dass die weltwirtschaftliche Umwelteffizienz und damit der Entkopplungsgrad vom Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren wieder gesunken ist, vor allem wegen des Eintritts großer Schwellenländer wie Brasilien, China und Indien in die Weltmärkte (UNEP 2011, S. 11; UNEP 2016, S. 16, 31). (Dies zeigt sich darin, dass die Kurve der «globalen Materialintensität» der BIP-Erzeugung seit 2000 wieder ansteigt. Vgl. UNEP 2016, S. 72.)

Dieser Logik kann sich die Menschheit, mit Blick auf die Klimaproblematik, nur dadurch entziehen, indem sie die fossilen Brennstoffe im Boden lässt, also nicht nutzt bzw. absolut weniger davon nutzt, statt sie bloß relativ zu einer je lokalen Produktion effizienter einzusetzen. (Vgl. zur gescheiterten, an die Weltgemeinschaft gerichteten Initiative Ecuadors, auf die Förderung eigener Erdölvorkommen gegen eine Entschädigung in Höhe der Hälfte der zu erwarteten Einkünfte zu verzichten, Fritzsche 2019, S. 76 ff.) Daher dürften «marktkonforme» regulatorische Maßnahmen wie Umweltsteuern oder die «künstliche» Schaffung handelbarer Emissionsrechte versagen. Denn diese setzen die ressourcenzehrende Wachstumslogik voraus bzw. feuern den Wettbewerb, der diese auslöst, zusätzlich an (und sind darum unter Ökonomen so beliebt).

Die Frage ist letztlich, wie der globale Wettbewerb, der zum Wachstum und damit, wenn es kein Scheinwachstum sein soll, zum Ressourcenverbrauch zwingt, begrenzt werden kann, ohne katastrophische Folgen für den Wohlstand vor allem der weniger wohlhabenden Erdenbürger zu erzeugen. Ohne Transferzahlungen von Reich zu Arm wird diese nicht möglich sein, wobei zu bedenken ist, dass diese angesichts der starken Polarisierung der Einkommen und angesichts der gegenüber der Wirtschaftsleistung weit überproportional angewachsenen, an sich funktionslosen (und überdies Krisen auslösenden) Finanzvermögensbestände eigentlich leicht und für den betroffenen Personenkreis relativ schmerzfrei verfügbar wären. Transfers dürften auch notwendig werden, da durch eine globale Umweltstrategie, die letztlich auf einen verringerten (und dabei zusätzlich auf einen umweltschonenderen) Ressourceneinsatz hinauslaufen muss, den Wettbewerbsverlierern das Ventil abhandenkommen würde, durch welches sie einen Ausweg aus ihrer desolaten Lage finden könnten. (Vgl. für das deindustrialisierte Großbritannien Carter 2019.)

Für den reichen Norden bzw. Westen ist es ja ohnehin eine Frage, wie weit das Wachstum bloß nur noch Leerlauf ist, weil die Marktteilnehmer den Marktwettbewerb als Statuswettbewerb betreiben und damit seinen «positionalen» (Fred Hirsch) – statt «produktiven» – Charakter herauskehren. Womit auch andere, weniger statusaffine Akteure in den Sog gezogen werden. Denn der Marktwettbewerb, angestoßen etwa durch das Statusstreben der einen, bildet eine «allgegenwärtige Drohung», die die Marktteilnehmer bereits «in Zucht nimmt, bevor sie angreift» (Schumpeter 1993, S. 140). Dass dies auch für die «marktkonform» gewordene Politik gilt, muss ein Ende haben. Sonst dürfte die Heißzeit nicht mehr aufhaltbar sein.

 

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