Die Eurokrise als Resultat «neoliberaler» Reformen
Ulrich Thielemann
Kategorie: Kapital
Über die Nachdenkseiten stieß ich hier auf eine Bestätigung der von mir entfalteten Sicht (vgl. hier und hier).
Der Autor, Joshua Rosner, ist ein Analyst, der Regulierer und institutionelle Investoren berät. Er sieht die wesentliche Ursache der Eurokrise darin, dass das Wachstum in der Eurozone »auf dem Rücken der Haushalte» erzielt wurde. Diese hatten «Lohnsenkungen und industriefreundliche Arbeitsmarktreformen» hinzunehmen, die Rosner ausdrücklich als «unfair» klassiert. Genannt sind «die Hartz Reformen». Und diese Reformen «beraubten die Haushalte ihrer Konsumption» und «übertrugen den Wohlstand von den Leuten zu den Banken und zu den Exportunternehmen» – bzw. deren Aktionären.
Die Steuerzahler etwa Deutschlands sollten weniger auf die «Randländer» (Griechenland, Spanien usw.) «sauer sein», die sie nun meinen «heraushauen» zu müssen, als vielmehr auf eine [als "neoliberal" und kapitalmarktgläubig zu bezeichnende] Politik, die dies ermöglichte, sowie auf die Banken in den Zentrumsländern (etwa Deutschlands), die «bei ihrer Suche nach Renditen verschwenderisch mit Krediten um sich warfen, die sie an schwache Haushalte, Unternehmen und Staaten in den Peripherieländern vergaben.»
Bei den gegenwärtigen Transfers ("bail-outs") handele es sich weniger um solche von Kernländern (etwa Deutschland) an die Peripherieländer, sondern um solche «vom öffentlichen Sektor der Kernländer zu den Banken und den Exporteuren» – eben dieser Kernländer. Gemeint ist insbesondere Deutschland.
Unklar ist mir allerdings, warum es vor diesem Hintergrund «logisch» sein sollte, dass die deutsche Regierung «die Märkte für deutsche Exportunternehmen und deutsche Banken schützen will» – also die Interessen der 10 Prozent zulasten der 90 Prozent? Hat das vielleicht damit zu tun, dass es der deutschen Bundeskanzlerin – es hätte auch ihr Vorgänger sein können – noch im April 2008, zu einer Zeit also, als die Deutsche Bank bereits wegen ihrer Subprime Exposures im Gerede war (S. 7 ff.), «besonders leicht» fiel, die «Leistungen und Erfolge» des «Jubilars», «Dr. Ackermann», herauszustellen, die etwa darin bestanden, «ganz entscheidende Anstöße für die Entwicklung des Finanzplatzes Deutschland gegeben» zu haben, «insbesondere was das Investment-Banking angeht» (S. 6)?
Wie von Sinnen waren praktisch alle verfügbaren politischen Kräfte damals. Die Hofierung des Kapitals (natürlich: konzeptionell verstanden, auch wenn es durchaus personelle Gegenstücke und korrespondierende Gefälligkeiten gab) kannte keine Grenzen. Derzeit geht diese Hofierung weiter. Ja, sie wird sogar überboten.