19. Dezember 2011
Das Ende der Demokratie II

Ulrich Thielemann
Kategorie: Kapital, Freiheit

Der Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik bat für sein «Zeitgespräch» 12/2011 verschiedene volkswirtschaftliche Autoren zur Frage Stellung zu nehmen, wie die Finanzmärkte, die die Politik seit geraumer Zeit «vor sich herzutreiben» scheinen, «gebändigt» werden können, um von ihnen «unabhängiger» zu werden. Neben Peter Bofinger, Thomas Straubhaar und dem Wirtschaftshistoriker Christopher Kopper habe auch ich Stellung genommen und hier ebenso wie hier Dargelegtes auf die Fragestellung hin fokussiert.

In seinem «Wirtschaftswunder»-Blog, der eine Sektion «Out of Wirtschaftsdienst» führt, setzt der zuständige Redakteur der Financial Times Deutschland nicht nur ein Fragezeichen hinter die «Dominanz der Finanzmärkte über die Politik» bzw. deren Fragwürdigkeit, sondern auch ganz selbstverständlich und ökonomismuskonform voraus, dass «die Märkte» durch ihre «rationale Bewertung» die Staaten, sollten sie «Misswirtschaft» betreiben, eigentlich «bestrafen» sollten, wobei «Misswirtschaft» dabei natürlich zugleich von «den Märkten» definiert wird bzw. «Misswirtschaft» offenbar dann vorliegt, wenn eine «Bestrafung» (etwa durch wachsende Zinslasten) erfolgt. Das Primat der Märkte oder genauer: des Kapitals vor der Politik wird hier bereits grundbegrifflich, also reflexionsfrei, normativ vorausgesetzt.

In den Beiträgen geht es dann durchaus reflektierter zu, wobei nur wenige Beiträge insgesamt auf die gestellte Frage zugeschnitten sind, worin der Souveränitätsverlust der Politik besteht und wie das Primat der Politik zurückzugewinnen ist. Meine Antwort, wie bereits hier skizziert, lautet: Durch eine wieder mindestens angemessene Besteuerung des Kapitals.

Die Beiträge sind hier online verfügbar. Überzeugt hat mich vor allem das Plädoyer von Peter Bofinger für Eurobonds. Damit werde die Gleichheit mit Währungsräumen wie den USA, Großbritannien oder Japan hergestellt, die trotz schlechter Staatsverschuldungslage deutlich tiefere Zinsen für ihre Staatsanleihen aufbringen müssen. ABER: Damit ist das Problem der weit überproportional angewachsenen nominellen Vermögensbestände, das Blasenproblem also, nicht gelöst, sondern nur, mal wieder, auf die lange Bank geschoben. (Worin der Keynesianer Bofinger kein Problem erblickt, da aus der (jeder?) «Staatsverschuldung» ein «Wachstum des nominalen Bruttoinlandsprodukts … zu erwarten» sei und sie sich somit selbst finanziert.) Worin sich die Überakkumulationskrise dann manifestiert, ist offen. Abgesehen von einer Ressourcenblase vielleicht darin, dass das Kapital dann von allen Ländern einen deutlich höheren Schuldendienst verlangt und dies durchzusetzen in der Lage ist? Denn die tiefen US-Zinsen beruhen ja zu gute Teilen darauf, dass die Investoren ihre Bestände aus dem Euro-Raum zu den USA verlagern. Dies wäre dann vorbei. Andererseits liesse sich vielleicht sagen: Wenn durch Eurobonds sozusagen global «Waffengleichheit» in Sachen Staatsverschuldung hergestellt wird, dann wirkt das wie ein Kartell der realwirtschaftlichen Akteure gegenüber dem Kapital. Und da der Schuldendienst abnimmt, wirkt die Schuldenaufnahme ein Stück weit wie Konsum und weniger wie Investition (die einen Return on Investment, also Schuldendienst für's Kapital bedingt, was entweder weiter Abschöpfung oder Wachstumszwänge impliziert – Konsum schließt Wertschöpfungsketten, Investitionen sind der Versuch, diese zu erweitern). Gut wäre das. Aber besser wäre die Kapitalbesteuerung als der politisch würdigere und weniger riskante Weg.