Bezweifelter Kulturwandel bei der Deutschen Bank
Ulrich Thielemann
Kategorie: Unternehmensethik, Ökonomismus, Compliance
Im gestrigen Beitrag des heute journals zweifelten alle befragten Experten, zu denen auch ich zählte, die Ernsthaftigkeit eines «Kulturwandelns» innerhalb der Deutschen Bank an. Doch waren die normativen Botschaften dabei teilweise höchst unterschiedlich.
Prof. Jan Pieter Krahnen von der Uni Frankfurt meinte, und das klang zunächst nach Entlarvung: «Die Bank wird versuchen, das bestmögliche für sich, nehmen wir mal im Sinne von Gewinne Erwirtschaften, aus den gegebenen Rahmenbedingungen [constraints] rauszuholen.» Von wahrhaftiger Integrität, zu der der «Kulturwandel» ja doch wohl führen soll, könne also keine Rede sein, denn dafür müsste der Gewinn von einem Prinzip zu einem Gesichtspunkt herabgestuft und also entthront werden, wie ich meinerseits im Beitrag betonte (und was auch Krahnen vorauszusetzen scheint; es ist ja auch eine an sich leichte logische Übung ist, dies einzusehen).
Aber wie kann sich Krahnen da so sicher sein, dass die Bank von Gewinnmaximierung nicht abrücken «wird». Krahnen weiter: «Das [die Gewinnmaximierung] ist ihre Aufgabe.» Wie bitte? Wer hat ihr denn diese «Aufgabe» geben? Vielleicht Adam Smith?...
Jedenfalls möchte Krahnen damit offenbar die Legitimität von Gewinnmaximierung zum Ausdruck bringen. Und weiter: «Ist das ein Kulturwandel? Hm.» Es soll ja nach Krahnen von vorn herein keiner sein. Die Banken und wohl alle Unternehmen sollen und dürfen im radikalsten Sinne eigeninteressiert handeln. Nur wir nicht, die wir die «Rahmenbedingungen» setzen?
Ich bin mir nicht sicher, ob sich Krahnen bewusst ist, was seine Position innerlich konsequent zu Ende gedacht bedeutet (nämlich reiner Ökonomismus). Damit dürfte seine Stellungnahme ähnlich zu beurteilen sein wie die praktisch gleichlautende von Yanis Varoufakis.
Einen Raum für wahrhaftige, d.h. auf Integrität fußender Geschäftsethik vermag auch der Jain-Biograph Georg Meck nicht zu erblicken: «Es geht [der Deutschen Bank] ums Geschäft, und die Moral ist ein Argument, das mehr in der Öffentlichkeit als nach innen gebraucht wird.»
Wenn es sich faktisch so verhält (was nicht heißen muss, dass es sich, wie praktisch alle Ökonomen meinen, auch so verhalten soll), und dies die Öffentlichkeit breitenwirksam mitbekommt (die Illusion wahrhaftiger Geschäftsintegrität also nicht aufrecht erhalten werden kann), dann könnten die Unternehmen eigentlich all die CSR-Reports, die sie da jährlich verfassen, in die Tonne werfen. Den Unternehmen wäre dann nie zu trauen.
Die gesellschaftliche Kräftekonstellation dürfte allerdings eine andere sein. (Was nicht heißt, dass Kräftekonstellationen den Ausschlag geben sollten, denn dann wären wir wieder bei den «Rahmenbedingungen» Krahnens.) Ich habe dafür einmal die Formulierung «der Spaten biegt sich» gewählt: Den Unternehmen wird es schwer fallen, all das, was sie unter dem Titel «Unternehmensverantwortung» tun, konsequent unter der Ägide der Rentabilität zu betreiben. Schon dadurch, dass man CSR-Spezialisten einstellt (wo werden diese eigentlich ausgebildet?), dürften auch Moment wahrhaftiger Integrität einfließen. Und natürlich dadurch, dass die Öffentlichkeit echte von bloß suggerierter Integrität in der Regel zumindest intuitiv unterscheiden können dürfte. (Vielleicht schreibt man ja auch all die CSR-Berichte nur für Analysten, und diese dürften in der Regel genau so ökonomistisch denken dürften wie deren Verfasser... Was eine reichlich sinnlose Übung wäre.)
Die Deutsche Bank hat immerhin insofern Recht, als dass ein «Kulturwandel» hin zur Geschäftsintegrität (und wir nehmen for the sake of the argument einmal an: so er ernst gemeint ist) Zeit benötigen wird. Aber anders als sie meint. Dafür ist nämlich ein grundlegender Wandel in der Managementausbildung nötig – um über das Personal zu verfügen, welches nicht bei allem, was es tut, an den eigenen Bonus oder an die Gewinne gieriger Investoren denkt. Womit wir beim Themenkreis des Memorandums wären.