22. Februar 2020
«Bad Leadership»

Ulrich Thielemann
Kategorie: Unternehmensethik, Compliance

 

MeM-Fellow Thomas Kuhn hat soeben gemeinsam mit Jürgen Weibler (Prof. für Personalführung und Organisation an der FernUniversität Hagen) ein Buch zum verbreiteten Phänomen des «Bad Leadership» bei Vahlen veröffentlicht.

Diese Führung ist vor allem schlecht für die Beschäftigten (unaufhaltsam steigender Leistungsdruck, Stress, zu wenig Anerkennung), häufig auch schlecht für Dritte (siehe Volkswagen), in der Regel aber gut für die Aktionäre. Der «light side of leadership», d.h. dem Business Case (S. 7 f.) für gute Führung, wird eine Absage erteilt. Es ist nämlich kein Zufall, dass «schlechte Führung» um sich greift, sondern, so würde ich es formulieren, dies ist Ausdruck des nach wie vor grassierenden Rentabilitätsextremismus. Und dieser ist wiederum Ausdruck des – auch durch die Betriebswirtschaftslehre vorangetriebenen – Glaubens, dass alles erlaubt ist, was der Gewinnmaximierung dient, d.h. der langfristigen Erfolgsbilanz wechselnder Investoren. «Diesem Ziel» – die Autoren zitieren Peter Wuffli, damals Partner bei McKinsey, später Chef der UBS – «sind alle anderen, auch das Überlebensziel der Unternehmung als selbständige Organisation, klar untergeordnet.»

Thomas Kuhn und Jürgen Weibler zeigen an einer beindruckenden Zahl von Beispielen auf, welche Folgen es für Führende und Geführte (und teilweise auch für Dritte) hat, wenn Unternehmen zu «Geldmaschinen» umfunktioniert werden. So kommt es etwa zu einer «pekuniären Korrumpierung von Unternehmensführenden». Überdies führen die Autoren in erhellender Weise durch die aktuellen Theorien über «bad leadership» – dazu zählen etwa Konzepte wie «Pressure to behave unethically», «tyrannischem Führungsverhalten», «Exploitative Leadership».

Ja, es gab einmal eine andere Zeit. Es war die Zeit der «soulful corporation» der Nachkriegswirtschaft vor der neoliberalen Wende (ab 1980), der «staatsmännischen Unternehmensführung» und des managerialen Professionalismus («Managerialismus»), der dem allgemeinwohlverträglichen «Unternehmensinteresse» und nicht den Aktionärsinteressen allein verpflichtet war. Wenn diese Ideen zu revitalisieren sind, um eine «gute Unternehmensführung» zu (re-) etablieren, dann bedarf es der Entthronung des Gewinns bzw. in den Begriffen von Thomas Kuhn und Jürgen Weibler, einer «Entfinanzialisierung der Wirtschaft».