Argumente gegen Staatsfinanzierung durch Verschuldung statt durch progressive Besteuerung
Ulrich Thielemann
Kategorie: Steuergerechtigkeit
Nach Axel Stommel
Stommel, A.: Basics der Ökonomie, Marburg 2019.
Allgemein: Staatsverschuldung (außer im akuten Krisenfall) ist der „Verzicht auf eine sach- und leistungsfähigkeitsrechte Besteuerung“ (S. 65)
1. Hofierung des Kapitals; „vermiedene Steuerschuld“ (Helge Peukert): S. 18: Staatsverschuldung = „ersparte Steuern“ bzw. „Schonung privaten Reichtums“, und zwar von „Unternehmen und Vermögenden“ (S. 25); UND Gewährung „sicherer Anlagemöglichkeiten“ für die sich im „Anlagennotstand“ befindlichen Vermögenden bzw. für die „ersparten Steuern“ (S. 18). Dies entspricht einer „traumhaften Doppel-Perspektive für Vermögende, ihre Anlagesorgen einerseits und ihren Steuervermeidungsdrang andererseits“ (S. 57)
2. Austerität, offenbar weil durch Schulden eingehende Finanzmittel tiefer sind, als durch angemessene („aufgabengerechte“) Besteuerung vereinnahmten. („Infrastruktur verfällt“, „mangelhafte Personalausstattung“, S. 19). Denn „der Schuldendienst verhindert Ausgaben zugunsten der Gesellschaft, darunter vor allem zugunsten ihrer ärmeren Teile.“ (S. 34) „Der arme Staat ist der Reichen Schatz.“ (S. 18) Eine aufgabengerechte Finanzierung durch (progressive) Besteuerung (Leistungsfähigkeitsprinzip) ist einfach „billiger“ (S. 54).
3. Zwang zum „andauernden Wachstum“; „Wachstum um der Schulden willen“; „ökologisch ein Unding“ (S. 32). „Wachstum wird zum ständigen Gebot.“ (S. 63)
4. Zunahme der Polarisierung durch „unterlassene Besteuerung“ (S. 33). S. 34: „Den Schuldenbergen entsprechen centgenau riesige, rechtsverbindlich vereinbarte staatliche Umverteilungsprozesse – weg von den Steuerlastträgern, hin zu den vermögenden Staatsanleihe-Zeichnern.“
5. „Abhängigkeit“ von „Kreditgebern bzw. der >Finanzmärkte<“ (S. 33). „Beeinträchtigung der Autonomie staatlichen Handels“ (S. 54) bzw. demokratischer Souveränität (Volkssouveränität). Verschuldung statt (progressive) Besteuerung führt zur „Beschränkung staatlicher Macht“ (S. 50). Sie „unterwirft den Staat dem Diktat“ der Gläubiger und führt „zur multiplen Indienstnahme des verschuldeten Staates in Gestalt diverser Zins-, Zinsergänzungs-, Zinsersatz- und anderen geldwerten prozess- und ordnungspolitischen Leistungen“ (S. 66). Denn „Kreditwürdigkeit, das internationale, privat organisierte >Rating<, ist das Erste, was gesichert werden muss.“ (S. 50) „Der verschuldete Staat ist den Finanzmärkten unterworfen.“ (S. 62) Es herrscht dann der „Zwang, es den Staatsgläubigern recht zu machen“. (S. 63)
„Wer auf anti-austeritäre, >wachstumsorientierte<, sich andauernd selbst finanzierende, staatliche Verschuldung setzt, setzt auf etwas, was es nicht gibt. Das ist Voodoo-Ökonomie.“ (S. 62)
Vgl. Irrsinn, der Ersetzung der Kapitalbesteuerung durch Verschuldung beim Kapital, bzw. zur "Transformation des Steuerstaates in einen Schuldenstaat" auch Streeck, W.: Gekaufte Zeit, Frankfurt a.M. 2013, S. 109 ff.