Agenda 2010 - rückblickende Rechtfertigung
Ulrich Thielemann
Kategorie: Kapital, Regulierung
Die SPD-Führung versteht die Krise nicht
Derzeit «feiert» die Agenda 2010 ihren 10ten Geburtstag. Und die SPD-Führung, «linkes» Parteiprogramm hin oder her, feiert mit bzw. meint sich dafür feiern zu können.
Die Begründung: Ohne Agenda 2010 «stünden wir [offenbar Deutschland im Ganzen] jetzt in einer Reihe mit Italien, Frankreich und Spanien vor deutlich größeren Problemen inmitten der Euro-Krise», so Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Gleichlautend Gerhard Schröder: «Deutschland ist besser durch die Krise gekommen als alle anderen europäischen Länder.»
Hat die SPD-Führung tatsächlich nicht verstanden, dass diese «anderen europäischen Länder» unter anderem und wohl gerade darum in die Krise geraten sind, weil sie von Deutschland auch mit Hilfe der Agenda 2010 kaputtkonkurriert und «mit seinen [vergleichsweise billigen] Exporten an die Wand gedrückt» wurden? Dass der Kapitalüberschuss, den Deutschland dem Kapital durch diverse Maßnahmen seiner «Hofierung» gewährte (bzw. den Arbeitseinkommen entzog), diese «anderen europäischen Länder» in die Überschuldung trieb? (Vgl. dazu dies, dies, dies und demnächst dies.)
Und warum eigentlich steckt Deutschland nicht selbst in einer Krise? Nur weil ihm das jahrelang «hofierte» Kapital nun das Geld praktisch zinsfrei hinterherwirft? Zeigt die Einkommensenwicklung und -verteilung etwa an, dass alles in Ordnung sei? Und wenn «Niedriglöhne für jeden fünften Deutschen zum Normalfall geworden» sind und «mehr als eine Million Menschen trotz Arbeit staatliche Hilfen benötigen», dann lässt sich sagen, dass diese Leute in einer Krise stecken – aber nicht Deutschland? Und zeigen nicht auch die Milliarden-Bürgschaften, für die die Steuerzahler gerade stehen müssen, und zwar gerade, weil Wertschöpfungsanteile massiven Umfangs von den Beschäftigten weg und hin zum Kapital geleitet wurden (was ich einmal «Marktwirtschaft grotesk» genannt habe), ebenfalls nicht an, dass auch Deutschland in einer Krise steckt?
Und wenn die «Rosskuren» (Hans-Werner Sinn) nun überall eingeführt werden – ist doch eine prima Sache dieses Mehr an «Flexibilisierung» und «Eigenverantwortung» –, dann ist dies die Blaupause eines Weges schnurstracks in die Plutonomy. Das ist übrigens das genaue Gegenteil einer Marktwirtschaft im Dienste eines «Wohlstands für alle».
Wie antwortet noch Maggie Thatcher auf die Frage nach ihrer «größten Errungenschaft»? «New Labour!»